Meine erste Pille Von Thomas Gsella

Das Sensations-TV Pro7 brachte neulich folgendes: Hobbyjäger hatten mehrere Rehe ermordet, und sogleich stob eine Gruppe Tierschützer hinzu, weinte aufgedreht und schrie: „Ihr Mörder! Diese Rehe wollten leben! Alles, was ein Gesicht hat, hat auch eine Seele!“ Gewiß verträgt der Kampf gegen freizeitliches Tieretöten auch riskante Argumente, aber schon beim Huhn fängt's an. Von Hammerhai und Rochen ganz zu schweigen. Ist das noch Gesicht? Oder schon was anderes? Gut wäre, führende Geschöpfkundler und Antlitztheoretiker klärten das mal auf.

Auch gut wäre, hätte ich nicht zweimal Ecstasy genommen, sondern einmal. Das eine Mal war absolutely empathizing and crazy in a friendly way, yes! 38 Jahre mußte ich werden, um so Worte hinzuschreiben. Also: Es war Nacht, als Oli, Gerd und ich in einer Bar die Pille nahmen. Erst spürten wir nix. Nach einer Stunde holte Gerd ein Schachspiel raus und gewann haushoch gegen mich, indem er dauernd neue Regeln praktizierte und ich es nicht bemerkte. Mit den Türmen ging es zickzack, die Bauern trabten gruppenweise, das Pferd lief wild herum, und Madame konnte springen. Später standen wir ganz kurz in einer Apfelsine, einer Kneipe, die von innen fruchtfleischrot gestrichen war. Dann krabbelten unsere Pupillen an den Rand der Iris, und wir liefen weiter. Bei Ecstasy geht Laufen ohne Muskelkraft, der Boden federt unterm Bürger, konvertiert dessen Gewicht in Anschubpond und trägt ihn leiblich fort und fort.

So gelangten wir in einen Märchenpark. Überall standen Bäume und Büsche, dazwischen waren Wiesen und Wege. Auf einer Bank saß eine Radfahrerin, und ich besah ihr Rad auf bislang vielleicht unentdeckte Schwachpunkte, fand aber keine und wünschte ihr ewiges Glück und Unfallfreiheit. Als das zu Ende war, hängten wir unsere Arme und Köpfe in einen Ententümpel. Dann kam ein Pavillon mit einer Gutangezogenen-Party. Der Türsteher ließ uns nicht rein, weil wir noch Tümpel an uns hatten. Sonst war er aber dufte, und uns mochte er auch. Die übrige Nacht ist mir in Auszügen präsent. Drei andere Kneipen nahmen uns auf, und in der ersten kraulte ich den Longdrinksonnenschirm, während aus Gerd und Oli kühne Wortwildwasser sprudelten. Von der zweiten Kneipe weiß ich nix, doch parallel zur Dämmerung befanden wir uns in einer Schwulenbar. Bei Tageslicht glitten wir nach Hause, und unter eine Linde federte ich rechts, Gerd geradeaus und Oli links. Kurz vor meiner Haustür wurde ich in einen Park gesaugt, legte mich auf eine Bank und bewunderte voll Dankbarkeit den Himmel und die Umwelt.

Die zweite Pille nahm ich am nächsten Abend, und eine baumdicke Angst vorm Dasein kroch mir vom Rücken ins Gemüt. Schnell floh ich auf die Straße. Alles sah böse aus, und weil die Autolichter sich wie nadeldünne Eispickel in meine Iris bohrten, konnte ich nur Einbahnstraßen vorwärtsfedern. An einer Ecke hatte der Teufel seinen Laden aufgemacht. Rüschenblusen, Trockentücher und sogar Gardinenstoffe hingen dort beisammen und zwangen mich, sie auf jeder neuen Runde anzugucken, und ich mußte würgen, und eine Zeitlang glaubte ich, daß es nie wieder aufhören würde. Aber das tat es dann doch. Na also so was!