Zwischen den Rillen
: Gitarrenhändler doch keine Schweine!

■ Rehabilitierung naht aus England: Ocean Colour Scene und Kula Shaker

Letztes Jahr war man als Brite wieder wer in der Popwelt. Vor allem den Authentizitätsbolzern aus Amerika hatten Bands wie Pulp und Blur und die Gallagher- Brüder es gezeigt. Und dieses Jahr? Schaut man leicht verkatert auf das, was sich da im Gefolge von Oasis und deren Erhebung zu Volkshelden breitgemacht hat. Papa, Mama und die Großeltern hören mit, Ironie und doppelter Boden sind weg. Retrorocker werden an allen Fronten gesichtet und sind zudem noch penetrant erfolgreich.

Die neue Generation will nicht spielerisch sein, ist furchtbar authentisch und perfekt – the Rebirth of Rock, diesmal von der Insel. Inbegriff für diesen Backlash ist eine Band namens Ocean Colour Scene. Sie verstopft seit Monaten mit ihrem Album „Moseley Shoals“ die britischen Top ten. Mehr oder weniger direkt setzen sie einen neuen Standard, wieviel Original-Gitarrenriffs und wie wenig Punk und Glam auf einem Album versammelt sein dürfen. „Rock Craftsman Riffing“ nennt das Magazin The Face deren Musik, und der NME hob sie im Sommer zwar auf sein Cover, wird seitdem aber nicht müde, auf sie einzuprügeln. Was wiederum i-D kürzlich dazu veranlaßte, die „oligarchic weeklies“ zu dissen und eine Lanze für Ocean Colour Scene zu brechen. Und so weiter und so funny.

Dabei hat die Band aus Birmingham einfach nur ein Album produziert, das so unbritisch, so unpop wie seit Jahren keines mehr klingt – außer den letzten drei von Paul Weller natürlich. Und der hat auf „Moseley Shoals“ nicht nur tatkräftig mitgeholfen, sondern war lange Jahre auch Brötchen- und Ideengeber für einen der Gitarristen und den Bassisten der Band.

Denn Ocean Colour Scene rauschten schon mal Anfang der Neunziger mit einem handelsüblichen Album durch die Maschen, danach war Funkstille und Arbeitssuche angesagt. Um so erstaunlicher – und ebenfalls untypisch für die Insel – diese Art von Comeback, touched by the hand of mod: Schon der Opener auf dem Album, „The Riverboat Song“, klingt wie ein schlaksiger Bastard aus Booker T, Cream und Eric Clapton. Bluesgegniedel ertönt da in den Songs und dutzendweise verschiedene Gitarrensounds. Lange, selbstverliebte Soli muß das Schrumm- schrumm-schräg-und-kurz gewohnte Indie-Kid plötzlich über sich ergehen lassen, Soli, denen man die Fingerfertigkeit anmerkt und auf denen sonst das Wort „Gitarrengewichse“ geschrieben steht. Gitarrenhändler, ihr seid doch keine Schweine, das trichtern Ocean Colour Scene den Briten und uns ein. Und obwohl manches Riff wirklich bleischwer in den Ohren liegt – so wie die Band ihre Songs rüberbringt, ist das alles schon ganz schön lässig, cool und supererhaben. [Gerrit! Deine mündliche Rede war, die Platte sei „wunderschön“! Steh dazu!! d.Red.]

Noch wohlwollend geht man zur Zeit mit Kula Shaker um. Mit ihrem ersten Album „K“ toppten sie gleich bei Veröffentlichung die Pole-position der Charts und bestätigten den Trend zum bloßen Klau ohne das berühmte Zwinkern im Auge – nicht nur zitieren, sondern die Originale gleich ganz einverleiben, heißt hier die Devise. Von den Beatles allein wollten sich Kula Shaker nicht inspirieren lassen: Bei ihnen dominieren Hendrix-Gitarren, Doors-Orgeln und Hawkwind- Psychedelia – Welcome to the Paisley Dome!

Da aber auch der ehemalige Stone-Roses-Produzent John Leckie an den Reglern saß und Sänger Crispian Mills neben längst vergangenen Sounds auch die Stone Roses über alles liebt, klingt ein Song wie „Into The Deep“ original nach den Roses von 1989. Darüber hinaus bringen Kula Shaker auch multikulturellen Mischmasch in ihr Album mit ein: Sitars, Tablas, Tambourine und Sarods erklingen, und die Titel der Songs heißen nicht nur „Grateful When You're Dead“, sondern auch „Tattva“, „Sleeping Jiva“ und „Govinda“. Hesse gelesen, Leary auch, Indienreise gemacht, den Spuren von George Harrison gefolgt und sich dann von einem Swami erleuchten lassen: Da schließt sich der Kreis, perfekt und zugenäht.

Von der Bezeichnung Retrorock halten Kula Shaker übrigens nichts: „Klassikrock“ ist ihnen viel lieber! Und was auch noch erwähnt werden sollte: Julian Cope hat ein neues Album eingespielt, auf dem er sich und allen, die es wissen wollen, die beliebten Sparten Space- und Krautrock durchbuchstabiert. Gerrit Bartels

Ocean Colour Scene: „Moseley Shoals“ (MCA/Geffen)

Kula Shaker: „K“ (Columbia/ Sony)