Unverantwortlicher Gaumenkitzel

■ betr.: „Tiere retten, Menschen töten?“, taz vom 25.10. 96

So, nun reiht sich die taz ein in den Chor aus konkret, junge Welt, ÖkolinX etc. und erklärt TierrechtlerInnen zu sinnlos militanten, faschistischen VollidiotInnen. Seit wann das Eintreten für die Rechte Schwächerer faschistisch ist, ist mir allerdings nicht klar.

Bisher hielt ich den Kampf für Unterdrückte und gegen UnterdrückerInnen eher für eine Sache der Linken, der ich mich auch zugehörig fühle. Und das nicht, obwohl ich vegan lebe, sondern für mich gehört das dazu.

Die Wut auf VeganerInnen und TierrechtlerInnen ist wohl nur so zu erklären, daß auch viele sich fortschrittlich schimpfende Menschen nicht bereit sind zu überlegen, ob sie durch eine Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten zu etwas mehr Gewaltfreiheit beitragen würden. Stefan Müller, Langenfeld

[...] Seit einiger Zeit versuchen einige couragierte Menschen auf aktive, aber ehrliche Art, inmitten unserer Gesellschaft direkt sich den Leuten gegenüberzustellen, die immer schon die Kaltblütigkeit besessen haben, Gewalt gegen Tiere auszuleben beziehungsweise sogar hiervon zu profitieren. Ja, kürzlich erdreisteten sich gar einige solcher Artgenossen – die ihre Lebensweise sonst vollkommen friedlich ohne Ausbeutung von Mensch und Tier fristeten –, in eine Schlachtwerkstätte bei Ulm einzudringen und die Folter- und Mordwerkzeuge unschädlich zu machen!

Ist es denn wirklich so absurd, so unnachvollziehbar, wenn Menschen mit Gefühl und Gewissen für Wehrlose, die nichts anderes als Sachbeschädigung begangen haben, leidensfähige Mitgeschöpfe vor dem Schafott retten wollten beziehungsweise einmal nur Licht in das grauenvolle Dunkel der Barbarei des Stärkeren auf Schwächere setzen wollten? [...] Ute Grübl, Estenfeld

[...] Um was es beim Veganismus geht, scheint Peter Köpf überhaupt nicht zu interessieren, oder er versteht es nicht. Immerhin ist er in der Lage, anzuerkennen, daß Massentierhaltung ein brutales Geschäft ist, in dem die Tiere lediglich als Ware betrachtet werden.

Aber es geht hier nicht darum, Tiere vor Qualen zu schützen, sondern ihnen das gleiche Lebensrecht zuzusprechen wie dem Menschen. Daß er diese nicht verstanden hat, sieht man/frau an seinem Silke-Ruthenberg-Beispiel, die ihre Katze mit Seelachs füttert. Für den Menschen war es in der Entwicklungsgeschichte sicherlich überlebenswichtig, Tiere zu töten und zu nutzen. Inzwischen hat er/ sie sich jedoch weiterentwickelt. Ohne Produkte wie Fleisch, Käse, Seide ... kann er/sie auch existieren, oft sogar besser.

Tiere sollen natürlich leben können. Deshalb umfaßt Veganismus auch die Menschen und die Natur. [...] Michael Siethoff, Iserlohn

[...] Was soll eigentlich der Einwurf mit den Nazis? Wollen Sie mit Geschichtskenntnissen auftrumpfen, oder sollte Tierschutz für jedeN Antifaschisten/in inakzeptabel werden, weil Tierschutz mal als „urdeutscher Wesenszug“ galt? TierrechtlerInnen bekämpfen übrigens nicht FaschistInnen, weil diese mal VegetarierInnen waren, sondern weil sie erkannt haben, daß es sinnlos ist, nur gegen eine Unterdrückungsform, egal welches Lebewesen von ihr betroffen ist, anzutreten. Es ist schließlich Ethik, die eine Solidarität mit allen quälbaren Körpern beinhaltet, anzustreben. Die Möglichkeiten einer solchen Ethik interessieren Sie aber wohl gar nicht, sonst hätten Sie sich damit sachlicher auseinandergesetzt. [...] Oliver Flohr, Wunstorf

[...] In einem Gesellschaftssystem, welches die massenhafte Produktion von Leben hervorbringt, nur um es zu töten, damit eingepflanzte Genußbedürfnisse befriedigt werden können, ist Vegetarismus schon aus Opposition zu Waren- und Konsumgesellschaften geboten. Universell läßt er sich durch auf Bentham fußendem ethisch-moralischem Imperativ begründen: leidensfähigen Lebewesen aus trivialen Gründen kein Leid zufügen zu dürfen! Markus Hertwig, Bochum

[...] Radikale TierschützerInnen begründen ihr Handeln durchaus besser und anspruchsvoller als mit dem „Metzger sind Mörder“- Statement; jedoch davon in Ihrem Artikel kein Wort.

Sie zeichnen auf diese Weise das Bild von radikalen weltfremden, nicht ernstzunehmenden Spinnern, das das Gros der Gesellschaft gerne entwirft, wenn es um kritische Menschen geht, die an dem eigenen Konsumverhalten kratzen.

Sie werfen Silke Ruthenberg von Animal Peace Inkonsequenz vor, weil sie ihre Katze mit Lachs füttert. Vermutlich sprächen Sie von nicht artgerechter Tierhaltung, wenn diese Katze lediglich Gemüse im Freßnapf vorfände. Warum wird Menschen, die sich um die Realisierung höherer ethischer Ansprüche bemühen, immer sofort Verhalten angelastet, das ihrer Anschauung geringfügig widerspricht? 100prozentige Konsequenz ist unmöglich, deshalb ist es sinnvoller und besser, sich mit 95 Prozent Konsequenz zu begnügen, als wegen der mangelnden fünf Prozent die Augen zu verschließen, die Hände in den Schoß zu legen und das Gewissen ruhen zu lassen. [...] Bea Zeier, Berlin

Vielleicht darf man sich nicht wundern, daß in den Zeiten des Sozialabbaus, „sozialer Kälte“ generell usw. gar nicht oder doch wenig widersprochen wird, wenn wie beim Beispiel Tierschutz so viele wohlmeinende, engagierte Leute so völlig den Sinn für die Realität verlieren. Es tut mir leid, mir sind Menschen denn doch wichtiger als Tiere – immer, überall –, Vegetarier kann ich doch trotzdem sein und gegen Tierversuche auch, oder? Ulrich Ch. Blortz, Köln