Auch Bertelsmann AG läßt Bohley nicht im Stich

■ Das Berliner Bürgerbüro von Bärbel Bohley darf sich freuen: Dank des Einsatzes von Kanzler Kohl spendet das Gütersloher Medienunternehmen 100.000 Mark

Berlin (taz) – Auf den Kanzler ist Verlaß. Wen er zu seinen Freunden zählt, so weiß man, wird garantiert nicht im Stich gelassen. Für die einstige DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley hat sich diese Loyalität in diesen Tagen erstmals merklich ausgezahlt. Dank Helmut Kohl wird der Medienmulti Bertelsmann aus seinem laufenden Geschäftsjahr zunächst 100.000 Mark für das „Bürgerbüro“ locker machen. Jene Einrichtung also, die im Juni von Bohley, einigen ihrer Weggefährten und CDU-Mitgliedern gegründet wurde und zu deren prominentesten Mitgliedern der Bundeskanzler höchstpersönlich zählt.

Den warmen Geldsegen hat der Verein, eine Art Gegenstück zu dem einst erfolglos von der PDS gegründeten „Komitee für Gerechtigkeit“, bitter nötig. Mangels Geld war bislang an eine ernsthafte Arbeit gar nicht zu denken. Mindestens 300.000 Mark pro Jahr seien für die Miete und ein bis zwei Vollzeitstellen nötig, rechnet der Vereinsschatzmeister und Berliner CDU-Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns vor.

Noch residiert man im Berliner Abgeordnetenhaus. Man sei aber optimistisch, bald das Provisorium gegen eine feste Adresse, möglichst in der Mitte Berlins, tauschen zu können. Der Raum 408 im früheren Preußischen Landtag ist schwer zu finden und mag so manchen Ratsuchenden wohl auch irritieren: Schließlich liegt die Bleibe nur wenige Meter von den Büros der vom Verein heftig angefeindeten PDS-Fraktion entfernt.

Damit dürfte bald Schluß sein, wenn sich denn mehr Unternehmen dem Vorbild des Bertelsmann Konzerns anschließen sollten. Kohl, der zusammen mit Ignatz Bubis und den anderen Mitgliedern 120 Mark Jahresbeitrag entrichtet, hat bereits weitere Firmen um Hilfe für den Bohley-Verein gebeten. „Zugegebenermaßen“, sagt Konzernsprecher Manfred Harnischfeger, sei die Bertelsmann-Spende ein „Entgegenkommen auf Wunsch des Bundeskanzlers“.

Vor geraumer Zeit sei das Thema auf einem Treffen von Bertelsmann-Spitzen und Vertretern des Bundeskanzleramtes besprochen worden. Dabei wurde auch eine zweite Spende in gleicher Höhe für das Geschäftsjahr 1997/98 in Aussicht gestellt. „Wir werden aber erst sehen, ob sich die Arbeit des Vereins trägt“, sagt Harnischfeger.

Man hoffe, daß andere Unternehmen dem Engagement Bertelsmanns folgen werden. Schließlich sei das Büro, das DDR-Opfern juristischen Beistand leisten will, „eine gute Sache“, eine „Art kleine Petitionsstelle“.

Trotz des Geldsegens – über drei Monate nach seiner Gründung – existiert der Verein noch weitgehend auf dem Papier. Wegen der ehrenamtlichen Mitarbeiter ist das Büro erst ab 17 Uhr besetzt. Doch selbst darauf ist nicht immer Verlaß. Bärbel Bohley hat ohnehin anderes im Kopf: Sie ist wieder einmal in Sarajevo. Dorthin war sie bereits kurz nach der medienwirksamen Gründung des Vereins entschwunden.

Auch Angelika Barbe, die einst ihre Adresse für den Verein provisorisch zur Verfügung gestellt hatte, ist für jene, die „durch Willkürakte der DDR fortdauernd geschädigt sind“ (O-Ton Satzung), nur schwer erreichbar. Nach Drohanrufen hat die Mitbegründerin der DDR-SDP und frühere SPD- Bundestagsabgeordnete ihre Nummer kurzerhand aus dem Telefonbuch streichen lassen. Sie habe ihren Kindern die „Flut von Beschimpfungen, wahrscheinlich mit MfS-Hintergrund“ ersparen wollen, teilt Lehmann-Brauns mit.

Glücklicherweise gibt es für den Verein ja noch den Postweg. Manchmal agiert das „Bürgerbüro“ dabei wie eine Bonner Petitionsstelle namens „Helmut Kohl“. Einige Fälle, bestätigt Rechtsanwalt Lehmann-Brauns, „gehen von uns aus direkt an das Bundeskanzleramt“. Severin Weiland