Ist Lese- und Rechtschreibschwäche ein Zeichen für besondere Begabung?

Ronald D. Davis, Autor des Buches „Legasthenie als Talentsignal“, ist Techniker bei der Nasa, Bildhauer und Multimillionär. Als Autist und Legastheniker versagte er in der Schule kläglich, schnitt aber in der Ausbildung als Techniker glänzend ab und machte eine erstaunliche Karriere – obwohl er bis zu seinem 38. Lebensjahr weder lesen noch schreiben konnte.

Davis glaubt, durch Selbstversuche entdeckt zu haben, auf welcher Funktionsweise die Legasthenie beruht, und gründete daraufhin 1982 ein Legastheniezentrum in Kalifornien. Laut Davis gibt es grundlegende Fähigkeiten, die allen Legasthenikern gemein sind: Sie denken vorwiegend in dreidimensionalen Bildern und nicht in abstrakten Wörtern; sie besitzen vielschichtige Wahrnehmungen und verfügen über eine lebhafte Phantasie. Davis entdeckte, daß er an manchen Tagen Geschriebenes klar erkennen kann, an anderen aber nicht.

Diese unterschiedlichen Zustände bezeichnet er als „Orientiertheit“ und „Desorientiertheit“. Die Rechtschreibschwäche der Legastheniker werde durch Desorientierung hervorgerufen, die zu panischer Angst der Betroffenen führe, so Davis. Er fand einen „inneren Orientierungspunkt“ im Kopf, zu dem die Legastheniker immer zurückgehen können, wenn sie verwirrt sind. Ein wesentliches Problem sei, daß Legastheniker den Sinn abstrakter Begriffe nur schwer erfassen können. Über 500 solcher Wortfallen hat Davis in seinem Buch aufgelistet. Durch ein „Symbolbeherrschungstraining“ lernen sie, alle Wörter zu beherrschen, die Desorientiertheit auslösen – und schon sollen sie nicht mehr lernbehindert sein.

Ronald D. Davis: „Legasthenie als Talentsignal – Lernchance durch kreatives Lesen“, Ariston Verlag, Genf 1995, 39,80 Mark pet