Wand und Boden
: Härtester Club der Welt

■ Kunst in Berlin jetzt: Files – Positionen im Zeitalter globaler Technologien, Sylvie Fleury, Jeanluc Moulène

Mehr als andere Popkulturen macht Techno die Menschen gesellig. Daran kann auch die Kunst nichts ändern: Jede Kritik an Club und Rave endet noch immer mit einer Party, auf der dann eben KünstlerInnen als DJs Platten auflegen. Auch bei der Eröffnung von „Files“ im Bunker ging es mehr um die Faszination am „härtesten Club der Welt“ als um das Angebot aus „Positionen im Zeitalter globaler Technologien“. Aber das war den Veranstaltern Oliver Schwarz und Werner Vollert ebenso klar wie ihren Sponsoren von Heineken, Viadukt oder 030. Man kam, sah und tanzte.

Doch auch die Gegenwehr der zwanzig beteiligten KünstlerInnen ist eher gering: Man klopft das Medium nach Bedeutung ab, die Objekte fügen sich dann ins Ambiente. Volkhard Kempters „Grundstellung 2-1-3“ aus Neonwand und Sitzschemel entfernt sich keinen Fußbreit von den herrischen Installationen eines Gerhard Merz, Rainer Ganahl greift zum Kristeva-Zitat, und Matthew McCaslin bastelt Uhren, Radiowecker und Chromschläuche zusammen. Für Angela Bulloch reicht ein Science- fiction-Roman auf einem Sofa nebst Seventies-Kugellampe, um Cyberspace mit Dekor zu verbinden. Zu Recht zweifelt Pit Schultz an den Möglichkeiten, „das Netz in einem Kunstraum auszustellen“. Statt dessen läßt er auf drei Projektoren im Viertelsekundentakt Dias von Websites über die Wand rasen.

Damit ist zumindest etwas über das Paradox gesagt, daß man Kommunikation im Internet nicht auf Bilder übertragen kann, weil es um die Geschwindigkeit des Zugriffs geht. Gleich nebenan hat sich Daniela Plewe die Mühe gemacht, ein System von Aussagen zu programmieren, die sich, nach Suchbegriffen aufgefächert, interaktiv zum Brainstorming überkreuzen wie ein Lexikon der Erfahrungen. Mittendrin ist man nur bei Dominique Gonzales-Foerster, deren „Sturm“ aus Videokamera, Ventilatoren und Regen vom Band besteht. Plötzlich findet man sich auf einem Monitor vor grau gekörnter Wand, im Nirgendwo zwischen lauter unsichtbaren Effekten. Das reicht als Message.

Bis 24.11., Mi, Do, So 12–20, Fr, Sa 15–2 Uhr, Albrechtstr. 24

Am besten läßt sich der Übergang von Kommunikation und Techno vermutlich in der Werbung markieren. Dort beginnt auch die Arbeit von Sylvie Fleury: Zuletzt hat sie den Jingle der Egoiste-Reklame in einen Housetrack ummixen lassen. Nun klickert das Lied leise aus dem Innern von drei meterhohen und mit einem braunen, kinderfreundlichen Kunstfell bezogenen Muppetshow-Raketen – „First Spaceship on Venus“, so der Titel ihrer Installation in der neueröffneten Galerie Mehdi Chouakri.

Das Objekt flottiert raffiniert zwischen SciFi-Trash, Comic und Fetischismus. Ähnlich spitz greift Sylvie Fleury in einer Neonschrift ihre Lieblingsthemen aus Mode und Geschlechterpop auf: „Moisturizing is the answer“ liest sich wie die Quersumme aus Andy Warhols Shopping-Philosophie und aktuellen Körperdebatten eingekremter Kulturarbeiterinnen.

Scheinbar konkret wird dieses Crossover mit dem Logo „ExCell-A3“ als Wandmalerei auf pfirsichfarbenem Grund gegenüber. Der Humor in Fleurys Objekten lebt von der Umwertung, daß sich Schönheit nur als Markenprodukt abbilden, wenn nicht gar ertragen läßt – eine Art Übersprungshandlung angesichts von Post-Human-, Cyborg- und Bio-Technologien. Jedenfalls paßt das Ganze sehr gut zur Galerie, deren Boden an eine grau eingesprühte Eiskunstlaufbahn erinnert.

Bis 20.12. Di–Fr 14–19, Sa 11–14 Uhr, Gipsstraße 11

Mit seinen Fotos nimmt Jeanluc Moulène all diese Mischformen von Pop und Alltag wieder auseinander. Zu Recht nennt der Franzose seine Ausstellung im Daad „Disjunctions“, schließlich verschiebt jedes Bild den Kontext dessen, was es widerspiegelt. Dadurch wird alles dann bedeutsam und lesbar, eine Art Eric- Rohmer-Zyklus aus lauter Stills. Moulène braucht nur aus Schnappschüssen auszuwählen, die er bei seinen Trips durch Paris fotografiert. So erstarrt für „La Bise“ eine harmlose Begrüßung zweier Frauen auf irgendeiner Straße zum theatralischen Szenario, weil plötzlich eine dritte Person um die Ecke biegt. Der Zufall bildet Gruppen.

Solcherart überkomplex aufgeladen, rätselt man bei jedem Bild – etwa dem „DS Citroän & Mercedes“ auf der Einladungskarte: Warum parkt die französische Limousine in einer Kurve? Wie ist es um die Konkurrenz der beiden Marken bestellt? Warum treffen sich die Wagen vor einer Berliner Fahrschule namens „Edelweiß“? Und wer war der Fahrer?

Bei Moulène geht die Festschreibung tatsächlich so weit, daß ein weißer Renault in einem bestimmten Viertel Symbol für Drogenhandel ist, den die Bewohner mit dem Auto angeblich sofort assoziieren können. Andererseits stolpert man auch über Merkwürdigkeiten, ohne Bescheid zu wissen: Auf „Vive la République“ wirbt eine Reklame mit Charles De Gaulle für das liberale Paris.

Andere Bilder verlieren sich in Details: „Momé“, im Herbst 1990 aufgenommen, zeigt ein gußeisernes Metrogeländer, dessen feine Fin-de-siècle-Verzierungen sich wie eine fremde Welt vom Gehweg abheben. Gleichzeitig huscht eine Frau in abgewetztem Mantel und schwarzen Turnschuhen vorbei. Für ihr Gesicht war leider kein Platz mehr auf dem Foto.

Bis 8.12., tgl. 12.30–19 Uhr, Kurfürstenstraße 58 Harald Fricke