Alles wird gut

■ Die Nazis und ein "Negermädchen": Toxi, das afrodeutsche Kind des bundesrepublikanischen Nachkriegsfilms, im Arsenal

Im Herbst 1952 feiert eine durchschnittliche Hamburger Gruselfamilie den Geburtstag der Großmutter. Plötzlich klingelt es, und ein schwarzes 5jähriges Mädchen steht vor der Tür. „Kindesaussetzung!“ kreischen die Erwachsenen und sind damit für die Dauer des Films gezwungen, sich daheim und ganz privat mit einem vieldiskutierten „Problem“ bundesdeutscher Nachkriegsgeschichte auseinanderzusetzen.

Und das tun sie auch, mit pädagogisch verteilten Rollen. Schließlich wollte Rudolf Adolf Stemmler mit „Toxi“ um Verständnis und Sympathie für die schwarzen Besatzerkinder werben. Weil das Publikum bei diesem erzieherischen Unterfangen nicht vor den Kopf gestoßen werden sollte, ist das „Mohrenkind“ (Elfie Fiegert) natürlich ein entzückender kleiner „Krauskopf mit Kulleraugen“, fromm, wohlerzogen und mit einem munteren bayerischen Akzent ausgestattet.

Damit bahnt es sich auf der Stelle einen Weg in die Herzen der Kinder und Großeltern, lediglich die Elterngeneration hat sich noch nicht von den „Vorurteilen“ der Vergangenheit losgemacht. Während Toxi auf ansteckende Krankheiten untersucht wird, beim Plakatentwurf für Schokoladenwerbung Modell steht und das Essen von „Negerköpfen“ vergällt wird, droht die deutsche Familie über der Frage einer Adoption zu zerbrechen. Doch dann wird alles gut: Nachdem selbst der bösartige Nazi-Schwager Theodor begriffen hat, daß Toxi eigentlich ein „liebes Kerlchen“ ist, wird die Kleine am Weihnachtsabend von ihrem amerikanischen Daddy abgeholt. Diese filmische Ur-Lektion bundesdeutscher Toleranz gegenüber Schwarzen läßt einem manchen kalten Schauer über den Rücken laufen, weil aus der Wohnzimmerperspektive mit krassen Farben das Klischee vom edlen Wilden und seiner gelungenen Zähmung gezeichnet wird.

Das alles geschieht mit wohlmeinender Naivität, die den Film zu einem sehr ergiebigen Forschungsobjekt macht. So sind denn auch gleich zwei Wissenschaftlerinnen zur Stelle, wenn „Toxi“ im Arsenal gezeigt wird: die Historikerin Yara Colette Lemke Muniz de Faria, die über afrodeutsche Kinder nach dem 2. Weltkrieg promovierte, sowie die Filmtheoretikerin Annette Brauerhoch, Spezialistin auf dem Gebiet von „GIs und Fräuleins“. Dorothee Wenner

Heute und morgen, 18.00 Uhr, im Arsenal-Kino, Welserstr. 25