Abteilungsleiter zu Putzfrauen

■ Die Flexibilisierung von Arbeitsplätzen birgt auch Chancen

Eigentlich kommt das Erfolgsmodell wieder einmal aus Japan. Manager von Toshiba in Osaka schlüpfen ab und an am Freitagnachmittag in ihre Overalls, um die Toiletten-Hygiene zu kontrollieren, Mazda-Vorständler sind sich in Tokio nicht zu schade, für eine Woche in der Kantine die Bons für das Abonnement-Essen zu kassieren. Das in Europa verachtete Prinzip der „Selbsterniedrigung“ – in Nippon seit Jahrzehnten im Sinne der Kreation der harmonischen, kooperierenden „Firmenfamilie“ gang und gebe – erweist sich als paßgerecht zum neuen Trend des ökonomischen Zeitgeistes der Arbeitsplatzflexibilisierung.

Auch im Land des nicht existenten Kündigungsschutzes, im Reich des „Hire and Fire“ der amerikanischen Firmen ist Flexibilität am Arbeitsplatz längst Alltag. Wenn sich irgendwo auf der Welt bei McDonalds an der Kasse eine Schlange bildet, packt der Filialleiter eben von allein mit an. In Deutschland allerdings ist die Flexibilisierung von Arbeitsplätzen gerade erst im Kommen.

Eine neue Erkenntnis aus dem Dienstleistungsbereich lautet: Die Kunden verlangen keine Qualifikationen von den Verkäufern. Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet dies: Nett zu sein ist wichtiger, als Qualifikation zu haben. Aber wird die ältere Verkäuferin aus der Stoffabteilung des Kaufhauses jemals einem Interessierten die Hi-Fi-Anlage annährend fachgerecht erläutern können? „Sie kann sich zumindest Grundsätzliches selbst erst einmal erklären lassen. Falls nötig, muß sie natürlich einen kompetenten Verkäufer heranholen“, meint der Unternehmensberater Jan Kutscher.

Als beim niedersächsischen Nahrungsmittelhersteller EFFEM zeitweise die Nachfrage explodierte, setzte man auf Einsatzflexibilität. Normalerweise war die Samstagsschicht nur mit 50 Prozent belegt, auf die Sicht von Monaten gab es nun einen weit höheren Bedarf. So wurde beschlossen, Leute aus der Verwaltung und den Büros umzusetzen.

„Solche Modelle haben oft positive Nebenwirkungen. So kommen manchmal Entwicklungsingenieure zum ersten Mal mit Kunden zusammen, oder sie erfahren mit ihren Händen, was sie da eigentlich entwickelt haben“, so Jan Kutscher.

Der Hang zur auftragsorientierten Fertigung wächst. Noch entdecken Personalplaner vor allem die Vorteile diverser Arbeitszeitmodelle, mit denen Zeitverschwendung bekämpft werden kann. Aber auch die Kombination betrieblicher Pläne mit persönlichen Freizeitwünschen schreitet voran. Jan Kutscher sieht jedoch auch in einer möglichst unbürokratischen Handhabung der Frage „Wer arbeitet wo?“ für die Zukunft ungeahnte Möglichkeiten: „Flexible Arbeitszeiten und -plätze sind für den Standort Deutschland das entscheidende Kriterium. Es geht einfach darum, mit der so knappen wie teuren Ressource Arbeitskraft besser umzugehen.“ Kutscher ist überzeugt, daß Unternehmen schon bald Diplomen wie Uni-Abschlüssen zwangsläufig immer weniger Bedeutung beimessen werden.

Und der Pferdefuß? Sicher bekommen die Gewerkschaften und nicht nur sie Bauchschmerzen, droht ein seit Jahren feingesponnenes wie liebgewordenes Netz sozialer Vorteile – in den Manteltarifen verankert – ein hoffnungsloser Flickenteppich zu werden. Wenn sich viele Arbeiter und Angestellte im Sinne der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes, zugleich aber zum Wohl ihres Arbeitgebers auf Wochenendarbeit oder kurzfristige Umsetzungen auf wenig attraktive Arbeitsplätze einlassen, entsteht bei den Chefs die moralische Pflicht, dieses Entgegenkommen der Belegschaften nicht auszunutzen. Die Praxis wird zeigen, was dabei rauskommt. Peter Kratz