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Erst erfinden, dann patentieren lassen

Einige Preisträger des Wettbewerbs „Jugend forscht“ haben es geschafft, sich selbständig zu machen  ■ Von Martin Kaluza

Es gäbe keine Erfinder mehr, klagte Peter Bichsel einst in einem seiner Kinderbücher. Und folgerichtig ist der einzige Tüftler, der in der Geschichte auftaucht, ein hoffnungslos verschrobener Einzelgänger, der nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und schließlich ein Gerät erfindet, das es leider schon längst gibt: den Fernseher.

Ungefähr zu der Zeit, als Bichsel die Geschichte geschrieben hat, wurde der Wettbewerb „Jugend forscht“ ins Leben gerufen. Heute ist er eine Institution: 65.000 Jugendliche haben sich seit seiner Gründung im Jahre 1965 beteiligt. Auf Regional-, Landes- und Bundesebene stellen die TeilnehmerInnen, die höchstens 21 Jahre alt sein dürfen, ihre Forschungsergebnisse in sieben Fachgebieten vor – und nicht selten sind auch handfeste Erfindungen dabei. Jedes Jahr werden um die 30 Erfindungen des Wettbewerbs zum Patent angemeldet, und einige der TüftlerInnen werden mit ihren eigenen Erfindungen zu Existenzgründern.

Zum Vorzeigeerfinder des Wettbewerbs wurde der heute 24jährige Jozsef Bugovics. Für ein Chip-Design zum Schutz vor Computerviren gewann der begabte Technikfreak beim Bundeswettbewerb 1991 den Sonderpreis der Telekom. Seine Erfindung „ExVira“ wurde patentiert, für marktfähig befunden und schließlich von Bugovics selbst vertrieben. Mittlerweile ist er Inhaber von zehn Weltpatenten und diversen Markenschutzrechten. Seine Firma ESD GmbH beschäftigt 25 hochqualifizierte Mitarbeiter, erwirtschaftet Umsätze von mehreren Millionen Mark im Jahr und ist Marktführer auf dem Gebiet der Verschlüsselungstechnologie. In seinem Büro hängt immer noch die „Jugend forscht“-Urkunde von 1991. Obwohl Bugovics frühzeitig und zielstrebig auf eine Erfinderkarriere zusteuerte, ist er überzeugt, daß der Forscherwettbewerb wesentlichen Anteil an seiner Entwicklung hatte: „Ich habe dadurch strukturiertes Arbeiten gelernt und mir eine gewisse Disziplin angeeignet. Außerdem lernt man viel darüber, wie man seine Ergebnisse vernünftig präsentiert. Zudem sind solche Wettbewerbe notwendig, um überhaupt Aufmerksamkeit auf junge Talente zu lenken.“ Darüber hinaus möchte die Stiftung den jungen TüftlerInnen auch konkrete Starthilfe geben. Denn der Weg zum Patent ist weit. Eine Erfindung darf nur zum Patent angemeldet werden, wenn ihre Details noch nicht bekannt sind. Das bedeutet, daß die Preisträger bei der Präsentation der Wettbewerbsergebnisse ihre Entwicklungen nur in groben Umrissen vorstellen dürfen. Außerdem werden mehrere tausend Mark an Gebühren und Anwaltshonoraren fällig, bis ein Patent eingetragen und die Idee geschützt ist. Dazu kommen jährliche Gebühren, um die Patentrechte zu behalten – zuviel für Jugendliche ohne eigenes Einkommen. Wer bei „Jugend forscht“ mitmacht und seine Erfindung anmelden will, bekommt von der Stiftung immerhin die 330 Mark ersetzt, die für Anmeldung und erste Recherche des Patentamts fällig werden. Damit es danach weitergeht, werden zusätzlich Patenschaften von bekannten Firmen, Institutionen und Erfinderorganisationen übernommen. Sie sollen den Projekten nicht nur mit Erfahrung zur Seite stehen, sondern möglichst auch etwas Geld lockermachen.

Peter Wasserscheid hat alle seine Preisgelder, die er in mehreren Wettbewerben gewonnen hat, in die Finanzierung von Patenten gesteckt. Vor sechs Jahren hatte er zusammen mit Moritz von Voß beim ersten Internationalen Wettbewerb „Europas Jugend forscht für die Umwelt“ den ersten Preis gewonnen. Ihre Entdeckung war, daß aus Lignin, einem bei der Papierherstellung anfallenden Produkt, ein umweltfreundlicher Kunststoff hergestellt werden kann. Das Patent wurde erteilt, und etwa 160 Industrieunternehmen zeigten Interesse an der Entwicklung: „Zum Glück hatten wir gute Berater“, erinnert sich Wasserscheid, „denn mehrfach versuchte man, uns über den Tisch zu ziehen.“ Dem will man jetzt durch die Patenschaften vorbeugen. Allerdings werden nur in den seltensten Fällen Entwicklungen von den Patenfirmen in ihr Programm aufgenommen. Das liege unter anderem daran, daß die Betreuung von den PR-Leuten in den Firmen übernommen wird und nicht von den Entwicklungsabteilungen, meint Peter Wasserscheid.

Er und sein Partner von Voß haben inzwischen ihr Kunststoffpatent nach zwei Jahren selbst fallenlassen. Ihr Kunststoff war Nebenprodukt eines Verfahrens zur Papierherstellung, das sich nicht durchgesetzt hat – damit ist der Rohstoff jetzt nicht mehr verfügbar. „Zwar bin ich über den Wettbewerb nicht zum Firmengründer geworden, aber ich habe zu meinen Beruf gefunden.“ Derzeit sitzt er an seiner Chemie-Doktorarbeit.

Zu den jüngsten Errungenschaften, die trotz aller Umständlichkeiten patentiert wurden, gehört die „Windel für den Tank“, die von den Taunussteinern Mirco Winde und Patrick Röglin entwickelt wurde. Wenn es nach ihnen geht, werden Autotanks demnächst mit einem benzinfesten Schaumstoff umhüllt und mit Leckmeldern versehen. So soll zum einen verhindert werden, daß auslaufendes Benzin ins Erdreich gelangt. Zum anderen könnten dadurch auch Brände in großem Maßstab verhindert werden. Patent erteilt, Vermarktung geplant, Firmengründung in Vorbereitung.

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