Krankenkassen werden demnächst weniger Leistungen anbieten

■ Die DAK kündigte Kürzungen an, sollte die dritte Stufe der Gesundheitsreform in der vorliegenden Form kommen

Berlin (taz) – Jetzt ist es raus: Wenn die dritte Stufe der Gesundheitsreform durchgesetzt wird, müssen die Versicherten draufzahlen. Gestern gab Eckard Schupeta von der DAK bekannt, daß seine Krankenkasse Leistungen aus dem Programm nehmen müßte, wenn die dritte Stufe in ihrer jetzigen Form beschlossen würde. Kürzungen seien „weder ausgemacht noch auszuschließen“.

Aus der Zielrichtung des Gesetzentwurfs, mehr Wettbewerb unter den Kassen zu bewirken, ergeben sich aber „gewisse Zwangsläufigkeiten“, sagte Schupeta in einem Interview mit dem Kölner Express. Das heißt im Klartext, daß zum Beispiel die häusliche Pflege, Reha-Maßnahmen, Infusionen, Katheter und anderes in Zukunft nicht mehr von den Kassen bezahlt würden.

Das Interview Schumpeters ist als Reaktion auf den Gesetzentwurf zu verstehen, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hatte. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte im Anschluß an diese Sitzung die Kassen aufgefordert, zu sagen, ob sie diese sogenannten „Gestaltungsleistungen“ in Zukunft tatsächlich nicht mehr bezahlen wollten. Wenn dem nämlich so sei, müßte er den Entwurf noch einmal überdenken.

Darunter versteht der Gesundheitsminister freilich etwas anderes als die Krankenkassen: Er müßte den Kassen dann nämlich gesetzlich verbieten, Leistungen auszugrenzen. Den Kassen bleibt hingegen nichts anderes übrig,als zu hoffen, daß Seehofer ein komplett neues Gesetz vorlegen wird.

Zu den Gestaltungsleistungen, um die der Streit jetzt geht, zählen laut Entwurf die häusliche Pflege, Heilmittel (zum Beispiel Infusionen oder Verbandsmaterial), Reha-Maßnahmen, Fahrtkosten und Auslandsleistungen. Die Bezahlung dieser Gestaltungsleistungen soll zukünftig von den Kassen frei verfügt werden: Sie sind dann nicht mehr verpflichtet, diese verhältnismäßig teuren Leistungen in vollem Umfang anzubieten oder zu bezahlen.

Doch die Kassen stehen vor einem Problem: Wenn sie einen hohen Anteil an chronisch Kranken oder Rentnern unter ihren Versicherten haben, die entsprechend hohe Kosten bei den Gestaltungsleistungen verursachen, wurden sie bisher durch den Risikostrukturausgleich entlastet: Die reichen Kassen glichen das aus. Dieser Risikostrukturausgleich soll bei den Gestaltungsleistungen künftig entfallen. Wer diese dann bezahlen soll, ist völlig ungewiß – es läuft aber auf die Versicherten selbst hinaus.

In Bonn wartet man jetzt die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuß am 4. Dezember ab. Ob sie tatsächlich noch Veränderungen bringt, ist allerdings strittig. Klaus Kirschner, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD, sagt: „Mit der Notiz hat sich Seehofer eine Tür nach hinten aufgemacht, um den Entwurf doch noch abzuändern.“ Wenn Seehofer nun von den Kassen verlange, sie sollten sich zu Ausgrenzungen bekennen, wolle er ihnen nur den schwarzen Peter zuschieben.

Auch Udo Barske von der AOK glaubt, daß die Anhörung noch Gelegenheit zu Änderungen bietet. Die Kassen würden sich auf eine gemeinsame Position abstimmen, um den Entwurf in ihrem Sinne zu verändern. Marita Völker-Albert vom Bundesgesundheitsministerium erwartet daher, daß „die Kassen sich endlich klar äußern, anstatt die Versicherten mit Drohungen zu verunsichern“.

Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer, geht zur Anhörung gar nicht hin: „Da läßt man Sachverständige antanzen, die dann ignorant und entwürdigend behandelt werden. Das ist ein reines Unterwerfungsritual.“ Die Notiz Seehofers sei eine reine Luftblase, um die Wogen zu glätten, meint auch Ekkehard Bahlo von der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten. Die Anhörung diene allein „der demokratischen Notwendigkeit – aber sie bringt nichts. Das Gesetz steht.“ Florian Gless

siehe Kommentar Seite 10