Schneller Rücktritt

■ Der türkische Innenminister stolpert über enge Verbindung zur Unterwelt

Istanbul (taz) – Der türkische Innenminister Mehmet Agar ist nach den Vorwürfen, er sei in Mafia-Geschäfte verwickelt, zurückgetreten. An seine Stelle wurde der Abgeordnete Meral Aksener zum Innenminister berufen. Dies gab gestern Ministerpräsident Mehmet Erbakan bekannt. Erbakan lobte Agar als „außergewöhnliche Kraft“. Der Rücktritt sei auf eigenen Wunsch hin erfolgt. Auch die türkische Außenministerin Tansu Çiller, die ebenso wie Agar der Partei des rechten Weges angehört, leugnete jeden Zusammenhang zwischen Agars Rücktritt und dem mysteriösen Verkehrsunfall vom vergangenen Sonntag. Ein wegen Mordes gesuchter Unterweltler und ein hochrangiger Polizeifunktionär kamen im selben Wagen ums Leben, der Abgeordnete Sedat Bucak wurde schwer verletzt. Dem Rücktritt Agars ging ein Gespräch der Außenministerin mit Staatssekretär Sönmez Köksal, oberster Chef des Geheimdienstes MIT, voraus.

Die Aktivitäten des Unterweltlers Abdullah Catli waren bereits Monate zuvor in einem Bericht, der vom türkischen Geheimdienst stammen soll, beschrieben worden. Mord und Erpressung gehörten zum Tätigkeitsfeld des auch von Interpol gesuchten Catli, der mit Polizeifunktionären und Politikern zusammenarbeitete. Die kriminelle Bande Catlis sei im Auftrag von Innenminister Agar gegründet worden, um gegen Organisationen wie die PKK und Dev Sol vorzugehen.

In der verunglückten Mercedes- Limousine fanden sich mehrere Schußwaffen, darunter Attentatswaffen mit Schalldämpfer. Der Politiker Bucak, Polizeifunktionär Kocadag und der mit türkischem Diplomatenpaß und Polizeiausweis ausgestattete Catli waren vor dem Unfall in einem Luxushotel in der Küstenstadt Kusadasi gesehen worden. Nach Zeitungsberichten hielt sich Innenminister Agar in demselben Hotel auf. Çiller lobte Agar, dem vorgeworfen wird, in politische Morde verwickelt zu sein, als „heldenhaften Terrorismusbekämpfer“.

Ömer Erzeren