Bittersüße Flirts

■ Compagnie Philippe Saire aus der Schweiz triumphierte im Schauspielhaus

Ein Mann, zwei Frauen. Das kann nicht gut gehen und ging wohl noch nie gut. Doch noch nie war das Scheitern der Dreiecks-Romanze so schön wie in den „petites catastrophes naturelles“, den zu deutsch weniger wohlklingenden kleinen Katastrophen des Alltags der Schweizer Compagnie Philippe Saire, die dem Tanzherbst am Wochenende den Höhepunkt aufsetzte.

Im Alltagsoutfit einer vergangenen Mode auftreten die Frau, der Mann, die zweite Frau, um sehenden Auges ins Verhängnis zu stürzen. Harmlos wie im Leben und witzig wie in der Komödie fängt es an mit der ersten Begegnung, mit verdeckter Koketterie und offenen Flirts. Doch dann gesellen sich - ätzend wie in der Wirklichkeit und bitter wie in der Tragödie - Eifersucht, kleine Grausamkeiten und große Gemeinheiten hinzu, bis am Schluß eine der beiden Frauen beinahe buchstäblich ins Gras beißen muß.

Die Tragikomödie des Trios wird unterbrochen und angereichert durch Intermezzi eines „gefallenen“ Engels. „Gefallen“ ist er, weil er sich die Rührung mit Zwiebelvierteln aus den Augen drücken muß. „Gefallen“ tanzt er zu Videoprojektionen sogenannter Naturkatastrophen, rückt die Dreiecksgeschichte so in einen metaphorischen Zusammenhang und vervollständigt den bittersüßen Zauber, mit dem Philippe Saire choreographiert.

Man sieht den vier TänzerInnen die Schulung im Tanzsaal und am Ballettholm an, denn von Pirouetten, Spreizschritten und anderen Figuren des klassischen Tanzes bricht der Schweizer Choreograph Philippe Saire auf zum ausgeklügelten Spiel seiner 1996 entstandenen Produktion. Mit sofort ablesbaren Gefühlsschwankungen und Alltagsgesten, mit ironischen Brüchen und parodistischen Zitaten zieht Philippe Saire sein Publikum in den Bann. Und dann entführt er es in ein bizarr-schillerndes Sortiment aus Kunstsprache, Metaphern und lyrischen Verästelungen, daß es bis zum Schluß nicht mehr entkommen kann. Viel Beifall.

Christoph Köster