■ Standbild
: Filme über Filme

„Tabu – Die letzte Reise“, Freitag, 22.25 Uhr, arte

Viel intelligenter, als Bücher über Filme zu schreiben, ist es, Filme über Filme zu drehen. Genau das hat der Franzose Yves de Peretti getan: Er ist auf den Spuren von Friedrich Murnau in die Südsee gefahren, wo der deutsche Regisseur 1929 seinen letzten Film drehte: den sagenumwobenen „Tabu“.

Murnau, der in Deutschland Filme wie „Nosferatu“, und „Faust“ gemacht hatte, war auf der Suche nach „dem Unversehrten“. Angezogen von der Schönheit der polynesischen Inseln und ihrer Bewohner, blieb „der Mann mit der Kamera im Kopf“ und drehte mit Laienschauspielern „Tabu“: die Geschichte einer jungen Frau, die von ihren Stammesangehörigen den Göttern geweiht wird und deshalb für Männer unberührbar, eben „tabu“ wird. De Peretti fuhr mit einem Filmprojektor in die Südsee und zeigte „Tabu“ an Murnaus Drehorten. Bei den Vorführungen lernte er greise Polynesierinnen kennen, die im Film als Statistinnen mitgewirkt hatten. Wenn sie aus dieser Zeit erzählen, bekommen die eingefügten Ausschnitte aus „Tabu“ eine ganze neue Aura.

Zwar ist das meiste, was man aus dem Film erfährt, bereits aus Lotte Eisners Buch über Murnau bekannt. Aber auf die trockenen Fakten kommt es bei Filmen wie „Tabu“ gar nicht an. Murnaus „Traumlandschaft“ (Lotte Eisner) beginnt durch De Perettis Film wieder zu atmen und zu duften. Anders als Filmliteratur, die oft ihren Gegenstand wegerklärt, lassen Filme über Filme den Bildern ihr Geheimnis. Würden nicht einige geschmäcklerische Einstellungen (unter anderem von einer Stummfilmkamera am Strand von Bora Bora) „Die letzte Reise“ überfrachten, wäre dieser Film ein Stück beispielhafter „Filmliteratur“. Tilman Baumgärtel