Bakterien fressen sich durch Denkmäler

■ Luftverschmutzung ist schuld an der Vermehrung der steinfressenden Mikroben

Algen, Bakterien und Pilze fressen sich mit wachsender Geschwindigkeit durch Gebäude und Denkmäler. Das tun sie jedoch nur, weil sie der Mensch ordentlich füttert: Ein erhöhter Gehalt der Luft an organischen Stoffen bietet den Mikroorganismen reichlich Nahrung, für ihr zerstörerisches Werk.

Der „Saure Regen“, noch vor wenigen Jahren von der Wissenschaft als Hauptverursacher für Gebäudeschäden dingfest gemacht, ist dank Autokatalysatoren und Abgasfilter der Industrie weniger schädlich geworden. Nun wurden Mikroorganismen entdeckt, unter deren Mitwirkung steinernes Material hundert- bis tausendmal schneller zerfällt als unter rein chemischer Einwirkung, berichtet das Wissenschaftsmagazin New Scientist. „Neu daran ist, daß wir im Laufe der vergangenen 25 Jahre einen enormen Anstieg der Luftverschmutzung verzeichnen konnten – selbst an Orten, wo vorher nichts festzustellen war“, meinte Ralph Mitchell von der Harvard University. „Die Kohlenwasserstoffe des organischen Schmutzes werden von Biofilmen in eine breite Palette unterschiedlicher Säuren umgewandelt.“ Und genau diese Säuren zerlegen nun von Mamor bis Kalksandstein alles, was vorher dem sauren Regen zugeschrieben wurde.

Die besondere Stärke der Mikroorganismen ist ihre Vielfalt: In dichten, hauchdünnen Überzügen – den Biofilmen – sind Algen, Pilze und Bakterien in einer bunten Lebensgemeinschaft vereint. Insbesondere Blaualgen haben die Eigenschaft, eine Schleimschicht zu bilden. In diesem Schleimmilieu siedeln sich dann zusätzliche Bakterien und Pilze an. Außerdem hält der Schleim die Luftschadstoffe, von denen die Gemeinschaft lebt, besonders gut fest.

Aber auch ohne Unterstützung durch andere Mikroorganismen können Pilze Steine zerstören. Auf vielen Gebäuden und Skulpturen im Mittelmeerraum lebt eine spezielle Hefe-Art. In Laborversuchen konnte Wolfgang Krumbein von der Universität Oldenburg zeigen, daß diese Hefen sich allein von dem Flugzeugtreibstoff Kerosin ernähren können.

Die Verantwortlichen für die Erhaltung von Kulturgütern sehen langfristig den indischen Tadsch Mahal ebenso gefährdet wie die britische Westminster Abbey und das Brandenburger Tor in Berlin. Denn der Zerstörung ist schwer Einhalt zu gebieten.

Der Erfolg einer mechanischen Reinigung mit Wasser oder Sandstrahlung ist nur von kurzer Dauer. Die Mikroorganismen sind allgegenwärtig und lassen sich mit dem Wind sofort wieder anwehen. Pestizide helfen auch nicht viel weiter – nur wenige Zellen, die das Gift überleben, können sich rasch wieder vermehren. Selbst ein Versiegeln der Bauwerke ist nur eine vorübergehende Lösung, da die meisten derartigen Mittel auch irgendwann dem biologischen Angriff erliegen. fwt