■ Serbisch-bosnische Regierung setzt General Mladić ab
: Ein Erfolg des Westens?

Wer einige der wichtigsten Kriegsverbrecher vor dem Gericht in Den Haag sehen will, wird sich weiter gedulden müssen. Aber immerhin, ein Schritt scheint gemacht. Ratko Mladić, der Schlächter des Balkan, ist von seiner Präsidentin Biljana Plavšić abgesetzt worden. Dazu war keine Aktion der Ifor oder der Nato nötig, sondern der Druck auf die serbisch-bosnische Führung. Daß Biljana Plavšić handeln mußte, zeigt immerhin, daß sich diese Führung neuerdings nicht mehr jeglicher Rationalität entziehen kann.

Viele Seiten haben gefordert, daß die internationalen Truppen die Kriegsverbrecher festnehmen sollen. Dieser Wunsch steht nach wie vor im Raum. Bei den Vertretern der internationalen Gemeinschaft vor Ort hat sich inzwischen die Meinung durchgesetzt, daß es ohne die Zerstörung der nationalistisch-faschistischen Kräfte in Bosnien-Herzegowina keine friedliche Reintegration des Landes geben kann. Daher ist auch die Forderung, die Kriegsverbrecher zu verhaften, nicht mehr aussichtslos. Auf diesem Hintergrund könnte man das Argument, daß internationale Eingriffe nationale Mythen befördern und es besser wäre, der Selbstreinigungsprozeß ginge von den bosnischen Serben selbst aus, durchaus ernst nehmen – blieben nicht doch Fragezeichen bezüglich der internationalen Politik.

Daß die Sühne der Verbrechen Voraussetzung für Versöhnung und eine friedliche Zukunft ist, bestreiten heute zwar nicht einmal mehr jene Diplomaten, die noch vor kurzem für die Teilung des Landes eintraten. Bei der Behauptung, es handele sich bei dem Druck auf Plavšić um eine Strategie, die Schritt für Schritt die Isolierung der Kriegsverbrecher durchsetze, ist Skepsis angebracht. Denn schon zu oft haben es die Vertreter internationaler Organisationen an Prinzipienfestigkeit fehlen lassen. Kann man diesen Leuten wirklich zutrauen, klug und umsichtig Schritt für Schritt gegen die Kriegsverbrecher vorzugehen?

So liegt der Verdacht nahe, daß es den internationalen Druck auf Karadžić und Mladić nur gibt, weil Milošević seine ehemaligen Anhänger fallengelassen hat. Verräterisch jedenfalls ist die Argumentation, Milošević verbürge eine Politik der Stabilität – obwohl doch gerade der serbische Präsident die Region in Krieg und Chaos stürzte. Daß amerikanische und europäische Diplomaten nicht müde sind, diese Mär zu wiederholen, zeigt, daß es bis zur Sühne der Kriegsverbrechen noch ein weiter Weg ist. Erich Rathfelder