Rassismus bei der Polizei zugegeben

Untersuchungsausschuß zieht Konsequenzen aus Hamburger Polizeiskandal: Erstmalig in der BRD soll zukünftig eine Kommission als „Frühwarnsystem“ die Polizei kontrollieren  ■ Aus Hamburg Silke Mertins

Schwere Mißhandlungen, rassistische Übergriffe, Scheinhinrichtungen, „Negerkarteien“, rechtsradikale Zellen: Die Liste der Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei war lang, als der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei vor zwei Jahren nach dem Rücktritt des damaligen Innensenators seine Arbeit begann. Nach 57 Sitzungen, mehr als 100 Zeugenvernehmungen und der Auswertung von 60 Metern Akten zog der PUA vorgestern eine überraschende Bilanz.

Organisierte rechtsradikale Strukturen innerhalb des Polizeiapparats habe man zwar nicht feststellen können, „aber es kann auch nicht von Einzelfällen gesprochen werden“, so der PUA-Vorsitzende Ulrich Karpen von der oppositionellen CDU. Zumindestens auf einigen Polizeiwachen – wie der berüchtigten Wache 11 am Hauptbahnhof – habe es deutlich ausländerfeindliche Tendenzen und eine „unzulässige und unerträgliche Verrohung der Sprache und Verhaltensweisen“ gegeben.

Auch den Vorwurf der Scheinhinrichtung von Schwarzen im Hamburger Hafen hält der PUA nicht nur für ein Gerücht. Es gebe „Hinweise“, die aber aufgrund der Aussageunwilligkeit der vernommenen Polizeibeamten nicht erhärtet werden konnten. Damit glaubt der Untersuchungsausschuß dem als „Kronzeugen“ bekannt gewordenen Polizisten Uwe Chrobok. Dessen Aussage führte bereits zur Verurteilung von zwei Beamten, die einen Schwarzen in ihrer Wache mit Desinfektionsspray mißhandelt hatten.

Bei den spektakulärsten Fällen des Hamburger Polizeiskandals ging der Untersuchungsausschuß allerdings nicht über die bereits gefällten Gerichtsurteile hinaus. Im Fall des Senegalesen Dialle D., der von Polizisten wegen der Aufschrift auf seiner Baseballkappe („Gib Nazis keine Chance“) zusammengeschlagen wurde, sei die Staatsanwaltschaft „unsensibel“ vorgegangen. Man könne aber nicht davon ausgehen, daß Ausländerbehörde, Staatsanwaltschaft und Polizei zusammengearbeitet hätten, um das Polizeiopfer mittels Abschiebung loszuwerden.

Auch bei der Mißhandlung des als polizeikritisch bekannten Fernsehjournalisten Oliver Neß hält der Ausschuß einen Racheakt der Polizei für abwegig. Neß war im Mai 1994 während der Kundgebung des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider auf dem Hamburger Gänsemarkt von Polizisten schwer verletzt worden.

Schlechte Noten erteilte der PUA der Polizeiführung. Sie habe Hinweise auf rechtsradikale Tendenzen ignoriert. Hinzu komme eine Staatsanwaltschaft, die aufgrund „mangelnder geistiger Distanz“ ihre Kontrollpflicht gegenüber der Polizei vernachlässigt habe. „Problematisch“ bleibe, bilanziert der 1.200 Seiten umfassende Abschlußbericht, daß bei Vorwürfen gegen Polizisten „Kollegen gegen Kollegen ermitteln“.

Neben Verbesserungen in der Aus- und Fortbildung, Rotation in den szenenahen Polizeiwachen und einer Reform der Führungsstruktur soll es deshalb künftig ein „Frühwarnsystem“ geben. Damit sich der Polizeiskandal nicht wiederholen kann, wird für eine Erprobungszeit von zwei Jahren eine beim Parlament angesiedelte Kontrollkommission empfohlen.

„Vor zwei Jahren war es noch undenkbar, daß die politische Mehrheit Mißhandlungen und rassistische Tendenzen bei der Polizei eingesteht“, wertete der GAL- Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Mahr den Untersuchungsausschuß als Erfolg. Den Bericht insgesamt lehnt die GAL wegen zu vager Kritik ab. Ob die Ergebnisse den Aufwand rechtfertigen, bezweifelt hingegen der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin. „Der Bericht marginalisiert und verharmlost rechtsradikale Tendenzen. Mit diesem Ergebnis habe ich Bauchschmerzen.“ Auf seine Stimme mußten die regierenden Sozialdemokraten bei der Schlußabstimmung verzichten.