"Den Vorschlag akzeptieren wir nicht"

■ Joachim Poß, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu den Überlegungen Finanzminister Theo Waigels, von 1999 an auch das Kranken- und Arbeitslosengeld zu besteuern, um sein marodes Bu

taz: Finanzminister Theo Waigel hat auf dem CSU-Steuerkongreß vorgeschlagen, von 1999 an auch die Lohnersatzleistungen zu besteuern, also das Arbeitslosen- oder Krankengeld. Hat dieses Konzept Zukunft?

Joachim Poß: Mein Eindruck ist eher, daß Herr Waigel durch die Ankündigungen von großen Steuerentlastungen versucht, von der Misere in seinem Ressort abzulenken – sowohl für dieses als auch das kommende Jahr. Man wird zur Finanzierung eines neuen Steuertarifs alles durchforsten müssen. Daß Herr Waigel ausgerechnet bei Arbeitslosen- und Krankengeldempfängern anfängt, um den Spitzensteuersatz massiv zu senken, zeigt sehr deutlich die Richtung, in die es gehen soll. Das können wir keinesfalls aktzeptieren.

Würden Sie für die SPD eine Besteuerung von Lohnersatzleistungen ausschließen?

Das wäre das letzte, woran ich denken würde bei einer Refinanzierung der Steuerreform. Abgesehen davon sind solche Versprechungen, die Herr Waigel da in die Welt setzt, absolut unseriös. Die Frage einer Besteuerung von Arbeitslosen- und Krankengeld hat ja gar nicht die Relevanz, die ihr Herr Waigel zuschreibt. Er selbst hat auf dem Steuerkongreß darauf hingewiesen, daß es große Freibeträge geben würde. Waigels Gesamtkonzeption der Steuerreform ist nur über eine massive Erhöhung der Mehrwertsteuer und höhere Staatsschulden möglich.

Nun könnte das Arbeitslosengeld ja gerade deshalb besteuert werden, weil die steigende Zahl der Empfänger in den nächsten Jahren eine sichere Einnahmequelle ist.

Das wäre ein zynischer Gedankengang. Ich glaube aber, Waigel wollte in der Tat nur auf ein steuersystematisches Problem hinweisen, wie es von der Steuerreformkommission bemängelt wurde. Interessant bleibt allerdings, daß er diesen Vorschlag gerade jetzt eingebracht hat. Ich weiß nicht, ob Herr Waigel nach all den Kürzungen nun erneut die Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger in Angst und Schrecken setzen will.

Was halten Sie davon, das Bundesarbeitsministerium solle ein Drittel des zusätzlichen Drei-Milliarden-Lochs in diesem Jahr erbringen?

Diese Zahl akzeptiere ich nicht. Es handelt sich in Wirklichkeit um zehn Milliarden Mark: Vier Milliarden, die noch nicht als Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit eingestellt wurden, drei Milliarden, die bei der Arbeitslosenhilfe fehlen und weitere Steuermindereinnahmen von jetzt vier Milliarden Mark. Die Streichung von Mitteln für aktive Arbeitspolitik von einer Milliarde Mark setzt unseres Erachtens völlig falsche Akzente. Im übrigen: Herr Waigel lenkt davon ab, daß er die weitaus größeren Probleme nicht im Haushalt 1997, sondern dieses Jahres hat. Zunächst versprach er, die Nettoneuverschuldung unter 60 Milliarden zu halten. Dann war wochenlang von 70 Milliarden Mark die Rede. Jetzt muß er froh sein, wenn er dieses Jahr unter 80 Milliarden Mark bleibt.

Waigel will 200 Millionen Mark im Wehretat einsparen, der SPD-Wehrexperte hat erklärt, weitere Kürzungen seien in diesem Bereich nicht zumutbar. Ist das auch Ihre Ansicht?

Dies kann ich im Moment inhaltlich nicht beurteilen, weil ich nur Pressemeldungen kenne. Interview: Severin Weiland