Pinochet mag Castro nicht schützen

■ Der Iberoamerika-Gipfel in Chile will bürgerliche Demokratie und verurteilt die Anti-Kuba-Gesetze der USA

Buenos Aires (taz) – Augusto Pinochet zog es vor, unerreichbar zu sein. Um eine Begegnung mit dem kubanischen Präsidenten Fidel Castro auf dem sechsten Iberoamerikanischen Gipfel in dem chilenischen Badeort Viña del Mar zu vermeiden, verzog sich der Exdiktator und Armeechef in den Norden Chiles zu einem Manöver – nicht ohne vorher noch dem ungeliebten Gast aus Kuba die gepanzerte Limousine zu verweigern, in der alle anderen Staatschefs Lateinamerikas durch die Gegend kutschiert werden. Erst der chilenische Präsident Eduardo Frei verhinderte einen handfesten Skandal, indem er Castro kurzerhand sein eigenes gepanzertes Fahrzeug zur Verfügung stellte.

Eine Handvoll extra eingeflogener Exilkubaner vertrat Pinochet in der Hauptstadt Santiago, um gegen den „Luzifer“ (Pinochet) aus der Karibik zu demonstrieren. Auf der anderen Seite begrüßten Hunderte chilenische Sozialisten den in Zivil angereisten Castro auf dem Weg zu seinem Hotel – und am Sonntag bekundeten rund 10.000 Menschen in Santiago ihre Sympathie mit dem kubanischen Regime.

Bei dem sechsten Iberoamerika-Gipfel hatten die Staatschefs Lateinamerikas, Spaniens und Portugals das Thema Demokratie auf die Tagesordnung gesetzt. In der Abschlußerklärung, die gestern unterzeichnet werden sollte, definierten sie erstmalig, was sie unter Demokratie verstehen. „Essentielle Elemente für die Demokratie“ sind demnach: die angemessene Repräsentation und Partizipation von Minderheiten und Mehrheiten, Meinungsfreiheit sowie freie Wahlen und der „öffentliche Charakter von Parteien“. Ein klarer Seitenhieb gegen Kuba, auch wenn längst nicht alle anderen Staaten Lateinamerikas diese Anforderungen erfüllen.

Allerdings verurteilt die „Erklärung von Viña del Mar“ auch das Helms-Burton-Gesetz der USA, das scharfe Sanktionen gegen Firmen vorsieht, die mit Kuba Handel treiben. Der chilenische Außenminister José Miguel Insulza bemühte sich jedoch gleich hinzuzufügen, daß die Verurteilung des Gesetzes nicht als Unterstützung für die kubanische Regierung mißzuverstehen sei. Vielmehr wolle man einen Angriff auf die Handelsfreiheit abwehren.

Fidel Castro seinerseits kritisierte das Helms-Burton-Gesetz als „extraterritoriale Gesetzgebung und kriminelle Blockade durch dieselbe Macht, die wiederholt andere Staaten in der Region überfallen hat“. Er warf den USA vor, sich in die inneren Angelegenheiten Lateinamerikas einzumischen.

Vor fünfundzwanzig Jahren war Castro das letzte Mal in Chile gewesen. Damals hatte er seinen Freund Salvador Allende, der als gewählter Präsident einen friedlichen Weg zum Sozialismus wollte, besucht. Pinochet hatte nach seinem Putsch 1973 die Beziehungen zur Sowjetunion und Kuba sofort abgebrochen.

Am Sonntag abend lud Chiles Präsident Eduardo Frei die versammelten Staatschefs in den Salon „Unabhängigkeit“ des Präsidentenpalastes in Santiago. In diesem Salon hat sich nach der offiziellen Version Salvador Allende, am Tag des Putsches, dem 11. September 1973, das Leben genommen. Als er dort tot aufgefunden wurde, hatte er eine Maschinenpistole in den Händen, an deren Kolben eine Bronzeplakette klebte. Darin war der Satz eingraviert: „Für meinen Freund und Waffenbruder Salvador Allende“. Unterschrift: „Fidel Castro“. Ingo Malcher