"Die hiesige SPD kann einfach nicht teilen"

■ Rezzo Schlauch zu den Gründen, warum er am Sonntag nicht grüner Bürgermeister Stuttgarts wurde. Die SPD ist "verhärtet"

taz: War das nun ein grüner oder ein Rezzo-Schlauch-Erfolg?

Rezzo Schlauch: Also, das war sicher eine Kombination von beidem. In jedem Fall hat dieser Wahlkampf einen Mitnahmeeffekt in dem Sinne ergeben, daß viele Menschen den Grünen politisch etwas zutrauen, die früher das nicht taten. Da wurden ja Leute im Wahlkampf aktiv, die ich gar nicht kannte. Da fuhren beispielsweise junge Inline-Skater durch die Stadt mit Rezzo-Schlauch-Plakaten, oder andere hängten Transparente auf. Sagenhaft. So was setzt sich in den Köpfen fest.

... und trotzdem hat's nicht gereicht.

Jetzt habe ich schon zum dritten Mal die Strategiefähigkeit der SPD kennengelernt. Das erste Mal bei der Wahl des Bundespräsidenten, das zweite Mal bei der Wahl des Vizepräsidenten des Bundestags und nun in meinem eigenen Fall. Dabei erwartet die SPD immer, daß wir auf sie Rücksicht nehmen, so, wie wir das in München mit Ude gemacht haben, um den CSU- Rechtsaußen Peter Gauweiler zu verhindern. Oder in Hannover, oder in Frankfurt ... Wenn ich selbst nach dem ersten Wahlgang als Dritter zurückgelegen hätte, wäre ich nicht mehr angetreten.

Gab es denn darüber keine Absprachen vorher?

Wir waren mit der SPD bis 1995 darüber im Gespräch, dann wollten die nicht mehr. Nur: Wer eben nicht richtig verlieren kann, der kann auch nicht mehr richtig gewinnen.

Nun schieben sich Grüne und SPD gegenseitig die Schuld für die verlorene Wahl in Stuttgart in die Schuhe.

Seit ich 1984 für den Landtag angetreten bin, ist die SPD in Baden-Württemberg immer sklerotischer geworden [medizinischer Fachbegriff für verhärtet, Anm. d. Red.]. Die kommen einfach nicht mit der Rolle zurecht, teilen zu müssen.

Was lernen wir daraus? Schwarz-Grün?

Ich war da mal ein Protagonist von, aber das habe ich abgeschrieben. Das war aus der Not heraus geboren, weil zumindest hier im Land nichts anderes möglich erschien. Aber mit dieser CDU läßt sich das nicht machen.

Die braucht die Grünen ja auch gar nicht.

Oha, die CDU kam bei dieser Wahl alles andere als ungeschoren davon. Die hatten ja bis zuletzt Angstschweiß auf der Stirn. Das kennen die hier nämlich nicht, um die Macht fürchten zu müssen. Und der vorlaute Gerhard Mayer- Vorfelder täuscht sich gewaltig, wenn er glaubt, vom Zweitplazierten spreche bald keiner mehr. Denn wenn es uns gelingt, auch nur einen Teil dieses grünen Wählerpotentials für Aktionen und Projekte zu bündeln, dann wird es für die CDU sehr ungemütlich.

Was wird aus dem gescheiterten Kandidaten Rezzo Schlauch jetzt in Bonn?

Natürlich ist durch dieses wahnsinnige Wahlergebnis meine Position gestärkt. Aber ich fühle mich in Bonn eingezwängt in ein Korsett. Mir gefällt dieser Politbetrieb überhaupt nicht. Auch die Grünen erstarren dort zu sehr in Ressortdenken und Aktenstudium. Ich will dort meine Rolle neu suchen, die gibt es noch nicht. Ich bin kein guter Redner auf Parteitagen, meine eigenen Leute kann ich nicht konfirmieren. Aber ich kannLeute überzeugen, grün zu wählen, ich kann auf Menschen zugehen, die für unsere Partei bislang nichts übrig hatten.

Rezzo der Marktschreier, Trittin der Aktenschnüffler?

Man muß die individuellen Stärken ausnutzen. Das tun wir noch zu wenig bei den Grünen. Wir brauchen noch viel zu sehr das Biotop der Initiativen und glauben dann, schon gewählt zu werden. Die Grünen müssen sich neue Kommunikationsformen einfallen lassen, nahe an der Partei und doch nicht in ihr. Das war in diesem Wahlkampf meine Stärke, und das macht mir Spaß ... weit weg von den Akten.

Weit weg schien der Grüne Rezzo Schlauch bei dieser Wahl vor allem von den klassischen SPD-Wählern.

Ja, wir hatten besonders dort Schwierigkeiten, wo ein hoher Anteil von Modernisierungsverlierern und Arbeitslosen lebt. Die machen uns Grüne verantwortlich, wenn sie keine Wohnung finden oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Wenn man denen etwas von Solarenergie oder anderen Innovationen erzählt, glauben die das nicht.

Und was war mit den Jungwählern?

Wir sind auf dem Weg zu einer entpolitisierten Gesellschaft nach amerikanischem Muster. Die Jungen kriegen wir nicht in ein Wahllokal mit Inhalten, sondern mit einem Feeling, und dieses Feeling kann nur über Personen vermittelt werden. Das ist das Problem. Interview: Philipp Maußhardt