Sexismen und leblose Kopien

■ Premiere von Till & Obels „Uns kann keiner“ im Tivoli

Aus irgendeinem Grund sind Till & Obel zu einer doch relativ bekannten Kabarettkombo aufgestiegen. Das ist eigentlich nicht weiter erstaunlich, denn zumindest ihr neues Programm Uns kann keiner ist so ungefähr das Reaktionärste, was man sich an Kleinkunst vorstellen kann. Uns kann keiner ist eine Art Nummernrevue, die hauptsächlich Imitationen von Berühmtheiten bietet. Ohne breite Fernsehhalbbildung ist an diesem Abend nichts zu wollen.

Schon die Auswahl der Imitierten ist erstaunlich. Ein vom Tivoli-Publikum sofort als Herzstück erkanntes Set stellte die Dieter Thomas Heck-Parodie dar. Warum muß nochmal über Heck sich lustig gemacht werden? Der Mann ist doch, was Medienpräsenz angeht, schon seit Jahren tot und ohne jede Relevanz. Auch die hunderttausendste Helmut Kohl-Nachahmung ist einfach nur überflüssig. Ärgerlich aber wird sie, wenn sie auch noch das uralte Klischee von Kohl als artikulationsunfähigem Fettsack wiederholt. Inzwischen müßte klar sein, daß dieses Image Kohl mehr nutzt als schadet und außerdem grundfalsch ist.

Till & Obel wissen zudem ziemlich genau, was das Kleinbürgerhirn neben Regiertwerden und Fernsehen noch beschäftigt: Sex. Und sie wissen, daß das für aufgeklärt sich haltende Kleinbürgertum gerne mit Sex unterhalten wird – man kann sich dann so großartig liberal fühlen. Liberalität heißt bei Till & Obel aber nur, den plattesten Sexismen freien Lauf zu lassen. Eine quälend lange Heinz Sielmann-Geschichte endet dann mit einem schenkelklopfenden Hinweis auf die „karibisch-mulattischen Riesenmöpse“.

Noch schlimmer ist das Argument, mit dem verlangt wird, daß Tina Turner endlich von der Bühne abtrete: Ihre Auftritte seien peinlich, da „ihre Figur aus dem Leim gegangen“ sei. Frauen dürfen bei Till & Obel nur dann Sexualität aufweisen, wenn sie den Ansprüchen des Blickes kleinbürgerlicher Männer genügen.

Auch abgesehen von diesen inhaltlichen Dummheiten funktioniert Uns kann keiner nicht. Till & Obels Parodien brüsten sich damit, „besser als die Originale“ zu sein. Das ist genau der Punkt, warum die Show so kraftlos ist. Die vorgestellten Klones sind leblose Kopien eines Originals, das so außer in den Köpfen des Publikums nie existierte. Die Bestätigung des Stereotyps aber besitzt nie ein kritisches Potential. Statt dessen kreisen Bühne und Publikum, ohne sich fortzubewegen, sinnlos umeinander. Die vorgetragenen Meinungen sind immer schon die Meinungen des Publikums. Im Gestus der Kritik – „Werbung ist Lüge“ – wird nichts als Gemütlichkeit erzeugt. Till & Obel sind eine klebrige Konsensmaschine. Matthias Anton