„Geld von denen holen, die arbeiten“

■ Bremerhavener Arbeitsrechtler fordern Solidarpakt für Werftarbeiter / Interview

Die Bremerhavener Arbeitsrechtler Walter und Piet Kleymeyer vertreten Werftarbeiter der Schichau-Seebeck-Werft, die nicht in die Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft gewechselt sind, bei Kündigungsschutzklagen gegen den früheren Arbeitgeber. In erster Instanz hatten sie bereits Erfolg: Die Entlassung der Arbeiter zugunsten von Leiharbeitern der kostengünstigeren Mypegasus-Beschäftigten sei nicht rechtmäßig, hieß es. Jetzt fordern die beiden Anwälte Klemeyer, die auch Anfechtungen gegen den dreiseitigen Vertrag mit der Mypegasus vertreten, einen Sozialausgleich unter den Werftarbeitern.

Eine Antwort der Bremerhavener IG Metall darauf veröffentlichen wir in einer nächsten taz-Ausgabe.

taz: Sie sagen, das Mypegasus-Konzept müsse im Sinne eines Solidarpaktes unter Beschäftigten nachgebessert werden. Warum?

Walter Klemeyer: Wir halten das für eine Frage der Fairneß. Wir glauben, daß hier – wenn schon kein richtiger Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Belegschaft, dann – wenigstens einer innerhalb der Belegschaft her muß; zwischen dem Teil, der nach dem Mypegasus-Aufenthalt in die Arbeitslosigkeit geht, und dem, der wieder auf die Werften zurücckehrt.

Haben Sie ausgerechnet, ob so ein Modell angesichts der geringen Überlebenschancen der Werften überhaupt einen reelen Sinn macht?

Dazu ist ja nichts veröffentlicht. Es wäre durchaus möglich, daß der Konkursverwalter und andere Parteien dies auch nicht wissen. Bei der Lloydwerft, die ja nicht im Konkurs war, sondern das Vergleichsverfahren abgeschlossen hat, sind von 600 Mitarbeitern rund 400 wieder auf die Werft zurückgekommen. 200 sind draußen geblieben. Wenn eine Werft nicht weiter existiert, dann gibt es nix auszugleichen.

Wie soll Ihr Modell aussehen?

Wir gehen davon aus, daß der Interessengegensatz quer durch die Belegschaft geht. Beim Beispiel Lloyd-Werft haben ja die 200, die nicht auf die Werft zurückkehren, im Grunde genommen mit ihrer Arbeitslosigkeit den Weg frei gemacht, damit die 400 anderen zurückkehren können. Daher unser Vorschlag: Wenn der Arbeitgeber selber kein Geld für einen Sozialplan hat, dann sollte das Geld woanders herkommen. Es ist unseres Erachtens von den 400 zu holen, die weiterarbeiten.

Die sollen, so Ihr Vorschlag, ein bis drei Jahre lang auf 10 Prozent des Lohns zu verzichten...

...ich kenne das Altersprofil derer nicht, die keine Arbeit mehr kriegen. Da muß man gucken: Wie ist die Altersstruktur, wer kann wann zu welchen Bedingungen in Rente gehen.

Wie sollten beispielsweise diejenigen Lloyd-Werker, die mit festen Verträgen auf die Werft zurückgekehrt sind, nachträglich auf solche Verträge eingeschworen werden?

Das ist schwierig; vor allem ist das aber ein Problem der Parteien, die beim Abschließen des Interessenausgleichs, als die 400 Lloyd-Arbeiter zurückgeholt wurden, darauf verzichtet haben.

Sie geben den Schwarzen Peter also weiter?

Im Moment habe ich dafür kein Mandat, das ist richtig. Man muß jetzt, um beim Beispiel Lloyd-Werft zu bleiben, bedenken, daß die 400 Lloyd-Werftarbeiter gegebenenfalls sagen können, damit hätten sie nichts mehr zu tun. Oder daß sie nicht bereit sind, neben den 20 Prozent, die sie jetzt tariflich ohnehin weniger kriegen, auch noch zusätzlich zehn Prozent abzugeben. Dieses Problem besteht. Aber man muß sehen, daß in dem Moment, als noch nicht klar war, wer zurücckommt, voraussichtlich alle Mitarbeiter bereit gewesen wären, auf diese weiteren zehn Prozent auch zu verzichten.

Die Mypegasus-Geschichte hatte als Alles-oder-nichts-Modell Erfolg. In ihrem Modell geht es aber um Verbesserung von Lebensqualität, sprich: denen etwas zu geben, die übrig bleiben.

Das ist nur zum Teil richtig. Gleichzeitig kann man sich rechtlich die Frage stellen, ob durch den sozialen Ausgleich, der bisher ja in keiner Weise ersichtlich ist, nicht erst die Wirksamkeit der Verträge wieder hergestellt wird.

Das heißt soziale Nachbesserung – um Anfechtungsklagen, die sie auch vertreten, die Spitze zu nehmen?

Als Anwalt mit Mandat muß man das Ganze konstruktiv gestalten. Es macht natürlich keinen Sinn, alles anzufechten und dann gehen alle Werften baden. Das ist ja das einzige, was die gewerkschaftliche Gegenseite immer sagt; sie droht mit der großen Katastrophe und argumentiert, daß sie deswegen nicht anders konnte. Damit redet sie dabei aber völlig an der Sache vorbei. Wir sagen: Wenn die Mypegasus-Verträge nach der Rechtsprechung des Bundesarbeits gerichtes deswegen unwirksam sind, weil der Arbeitnehmer auf alle Schutzrechte verzichtet, dann könnte man, indem man einen sozialen Ausgleich schafft, die Wirksamkeit dieser Aufhebungsverträge wieder herstellen. Ein sozialer Ausgleich wäre nach der Rechtslage weiterhin möglich.

Ungewöhnlich ist, daß der von Ihnen vorgeschlagene Sozialplan von denen getragen werden soll, die selbst an der Arbeitslosigkeit vorbeigeschrammt sind.

Das ändert aber nichts daran, daß hier sonst nichts stattfindet, weil der Arbeitgeber nichts hat. Auf neue Probleme muß man neue Antworten finden.

Gibt es Hinweise in der Rechtsprechung, daß ihre Sicht Bestand haben könnte?

Vergleichbare Fälle gibt es wahrscheinlich nicht. Das Mypegasus- Modell ist von Größe und Zuschnitt für den Westen neu. In den neuen Bundesländern, woher es stammt, galt durch den Einigungsvertrag aber zum Teil eine andere Rechtslage. Für den Westen gibt es noch kein Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Fragen: Eva Rhode