Zocken im Kasinokapitalismus

Bei einer Verflechtung der Bankgesellschaft Berlin und der NordLB nimmt der Einfluß des Landes auf die Großbank ab. Es besteht die Gefahr, daß öffentliche Anteile privat verspielt werden  ■ Von Hannes Koch

Wenn die Bankgesellschaft Berlin und die Norddeutsche Landesbank (NordLB) in Hannover verschmelzen, wird der Einfluß des Landes Berlin auf die Politik der neuen Großbank abnehmen. Davon geht Klaus Bahl aus, der im Hause von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) für die Bankenbeteiligung zuständig ist. Die mögliche Verflechtung der beiden Finanzinstitute könnte dadurch zustande kommen, daß das Land einen Teil seiner Mehrheitsbeteiligung von 56,8 Prozent abgibt.

Eine stärkere Kooperation der Banken wird seit geraumer Zeit von den Vorständen vorbereitet. Die Landesregierungen in Hannover und Berlin haben vergangene Woche ihre grundsätzliche Zustimmung gegeben. Die neue Großbank wäre das zweitgrößte einheimische Institut nach der Deutschen Bank.

Ein gegenwärtig diskutiertes Modell des Zusammenschlusses sieht vor, daß die NordLB in die Bankgesellschaft eingebracht wird. Die Mehrheitsaktionäre der NordLB, unter anderem die Länder Niedersachsen, Mecklenburg- Vorpommern und Sachsen-Anhalt, würden im Gegenzug Anteile der Bankgesellschaft Berlin übernehmen, damit sie weiterhin Kontrolle über das neue Institut ausüben können. Das geht aber nur, wenn Berlin einen Teil seiner Aktien an die drei Länder verkauft.

In diesem Fall würde das Land anstatt der gegenwärtigen Mehrheit in Zukunft vielleicht noch 25 Prozent der Bankanteile halten. Damit verringern sich der Einfluß auf die Besetzung von Aufsichtsratsmandaten und auch die Durchsetzungschancen für die Landespolitik bei der Bank.

Probleme für Berlin könnten sich auch aus der schieren Größe des Kolosses ergeben. Bereits für 1995 haben die beiden Finanzhäuser eine addierte Bilanzsumme von 490 Milliarden Mark ausgewiesen. Das fusionierte Institut würde viel größere Summen bewegen als das Land mit seinem Haushalt von gut 50 Milliarden Mark. Erklärtes Ziel der Institute ist es, sich gemeinsam stärker auf dem Auslandsmarkt zu tummeln. Man möchte an den großen Finanzplätzen dieser Welt wie London einflußreiche Vertretungen aufbauen, um dort das sogenannte „Investmentbanking“ zu betreiben. Den risikoreichen Handel mit Wertpapieren wie „Optionen“ und „Futures“, die oftmals nicht mehr sind als moderne Wettscheine, bezeichnen KritikerInnen als „Kasinokapitalismus“. Beim weltweiten computergesteuerten Zocken kann man Geld machen, das schließlich auch Investitionen in Berlin finanzieren könnten. Aber man kann auch riesige Summen verspielen: So trieb der Händler Leeson die Londoner Barings Bank durch den Wertpapierhandel in den Zusammenbruch. Und die Deutsche Bank mußte unlängst ihrem Tochterinstitut Morgan Grenfell über 400 Millionen Mark hinterherschmeißen, weil die Händler auf die falschen Wertpapiere gesetzt hatten.

Angesichts dieser Aussichten warnt die bündnisgrüne Finanzexpertin Michaele Schreyer: „Beim konkreten Modell der Zusammenarbeit zwischen den Banken muß man sehr aufpassen.“ Schließlich stecke in der Bankgesellschaft jede Menge öffentliches Geld, das von der Landesbank (LBB) und der Investitionsbank Berlin (IBB) eingebracht wurde. Gerade letztere hat als öffentliches Förderinstitut die Aufgabe, Strukturpolitik für das Land zu betreiben. Die IBB verteilt staatliche Mittel der Wohnungsbauförderung und gibt Gewerbetreibenden billige Kredite. Schreyer befürchtet, daß der öffentlich-rechtliche Charakter der Bankgesellschaft zugunsten der privaten Zockerei auf dem Weltmarkt in den Hintergrund gerät.

Schon heute diene das öffentliche Geld der Bankgesellschaft als „Haftungskapital“, sagt Schreyer. Es sei also grundsätzlich in Gefahr, im Orkus der weltumspannenden Finanztransaktionen zu verschwinden. Allerdings ist dieses mutmaßliche Risiko auf absehbare Zeit eher ein fiktionales als ein reales, denn die vier Bundesländer werden die Mehrheit der Anteile an der Großbank halten und deshalb auch für die Sicherheit der öffentlichen Gelder einstehen.

Die Tendenz, daß sich die Bankgesellschaft Berlin von den Interessen des Senates emanzipiert, der sie einst aus der Taufe hob, ist freilich nicht ganz neu. Trotz ihrer Aktienmehrheit ist der Einfluß der Landesregierung heute schon denkbar gering. Der Vorstand des mächtigen Geldinstituts bestimmt eher die Landespolitik, als daß die Machtausübung in umgekehrter Richtung funktionieren würde. Obwohl die Geschäfte im vergangenen Jahr gut liefen, verweigerte die Bank eine Erhöhung der Dividende an das Land. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die leere Staatskassen zu füllen hat, intervenierte vergebens.

Bei der Privatisierung von landeseigenen Immobilien bietet die Bankgesellschaft bereitwillig ihre Dienste an – und verdient schließlich erkleckliche Beträge auf Kosten des Landes. So kaufte die Banktochter Bavaria dem Senat die Wohnungsbaugesellschaft Arwobau ab. Der Kaufpreis fiel um rund 70 Millionen niedriger aus als Gutachter zuvor geschätzt hatten. Die Bank mache sich den Staat zur Beute, kritisierten die Bündnisgrünen.

Das Machtgefälle entspringt allerdings nicht nur dem eigenwilligen Streben der Bankgesellschaft. Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) trägt in Abstimmung mit Aufsichtsratsvorstand Edzard Reuter (ehemals Daimler-Benz- Chef) Sorge dafür, daß die Leine immer länger wird. So sitzen nur zwei SenatorInnen im Aufsichtsrat: Elmar Pieroth und Annette Fugmann-Heesing. Auch über andere Posten könnte das Land grundsätzlich verfügen und sie mit Personen besetzen, die ihm verpflichtet sind. Statt dessen hat man die Aufsichtsratssitze an Personen aus der Wirtschaft verteilt. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann und Bundesbahnchef Heinz Dürr werden sich vor allem von ihren Verbands- und Unternehmensinteressen leiten lassen.