Einer hält die Schnauze

Bei Bayerns DFB-Pokal-3:1 gegen Bremen deutet sich an, warum Christian Ziege einer für Italien ist  ■ Von Markus Götting

München (taz) – Drüben, zu Füßen der Gegengeraden, sprintete Christian Ziege entlang. Die linke Seite runter und einem Flankenball hinterher, der abgesandt worden war noch tief im eigenen Strafraum. Worauf Ziege, jüngst genesen von einer langen, langen Verletzungspause, lief, als säße ihm der Fußballteufel im Nacken oder zumindest dessen friesische Variante. Dann spielte er einen hübschen Doppelpaß mit dem Kollegen Ruggiero Rizzitelli und trat am Ende die Lederkugel unter das Tordach des umherirrenden Oliver Reck. 2:1 für Bayern München, Tusch für Christian Ziege.

Und da konnte er nicht mehr und mochte er nicht mehr. Und weil er weder konnte noch mochte, drehte er die Finger in der Luft, etwa so wie ein Hamster auf seinem Laufrad – Fußballern gilt das als Zeichen, daß einer nicht mehr kann, erst recht nicht mehr will. Lunge und Muskeln waren genug strapaziert worden an diesem lauen Spätherbstabend, „für 90 Minuten hätte es nicht gereicht“, sagte Ziege später, frisch geföhnt. Da war beim FC Bayern längst alles stolz auf sich selbst, weil im Achtelfinale des DFB-Pokals letztlich 3:1-Sieger gegen Bremen.

Das allein ist noch kein Kunststück, zumal nicht gegen ein Werder-Team, dessen einzige Sturmspitze, Marco Bode, vor nicht allzu langer Zeit seiner defensiven Fertigkeiten wegen ins Nationalteam berufen worden war. Der nun hatte das erste Tor des Tages geschossen, vor 32.000 zumeist entsetzten Zuschauern im Münchner Olympiastadion, die ein ähnliches Debakel befürchten mußten wie vor sechs Wochen, als die Bayern mit 0:3 an der Weser absoffen.

Seinerzeit mußte Jürgen Klinsmann in Halbzeit zwo zuschauen, diesmal durfte er weiter mittun: zur Belohnung für unermüdlichen Dauerlauf und das Ausgleichstor kurz vor Pausenpfiff. Ein Treffer, der vor allem Zieges „herrlicher Vorlage“ (Klinsmann) zu verdanken war. Denn bedenke: „Der Christian ist einer“, sagte Klinsmann, dem auch Tor Nummer drei gelang, „der auch mal was Überraschendes tut.“ Und weil der FC Bayern zuletzt nicht sonderlich berühmt war für Überraschungen im spieltechnisch-kreativen Sinne, haben sie den Ziege alle ganz doll vermißt nach dessen Meniskusoperation. An Tagen wie jenem gegen Bremen ist der nämlich einer, der wie eine computergesteuerte Ballmaschine Flanken in den Strafraum abschickt. An schlechten müßte man aus versicherungstechnischen Gründen den Mittleren Ring für Autos sperren lassen angesichts seines Streuwinkels.

Vor der Zwangspause überwogen Galaauftritte, weshalb offenbar die halbe italienische Seria A sich in den Besitz seiner Telefonnummer gebracht hat. Neuester und aussichtsreichster Kandidat ist wohl der AC Mailand. Inzwischen wird sogar kolportiert, Ziege habe dort bereits einen Vertrag unterzeichnet. Franz Beckenbauer jedenfalls hat im Bayerischen Rundfunk bereits eine leicht chiffrierte Abschiedsrede gehalten.

Ziege (24) sagt, er habe die Sendung gesehen, „aber kurz vor diesem Teil habe ich ausgeschaltet“. Bis zur Winterpause wolle er ohnehin nichts mehr sagen. Nur soviel: „Solange ich noch bei Bayern unter Vertrag stehe, werde ich hundert Prozent dafür geben, daß wir Pokal und Meisterschale holen.“

Das Pokalviertelfinale steht erst im Februar an, in der Liga aber müssen die Bayern am Wochenende nach Freiburg reisen, wo sie zuletzt dreimal verloren. „Das reicht“, sagte Ziege. Seine binnenklimatische Vision: „Schnauze halten und 90 Minuten guten Fußball spielen.“ Schade, daß Kollege Basler das nicht gehört hat. Der Ausgewechselte hielt sich bereits gestern („mir reicht's“) nicht mehr an Zieges goldenen Rat.

Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel (33. Kreuzer), Helmer - Basler (68. Zickler), Hamann, Strunz, Nerlinger, Ziege (73. Münch) - Klinsmann, Rizzitelli

Werder Bremen: Reck - Pfeifenberger, Ramzy, Schulz (83. Unger) - Scholz (74. Brand), Eilts, Herzog (81. van Lent), Todt, Wiedener - Flo, Bode

Tore: 0:1 Bode (13.), 1:1 Klinsmann (45.), 2:1 Ziege (65.), 3:1 Klinsmann (90.)