Du sprekken deutch?

■ Das Bundesverwaltungsgericht verweigert einem deutschstämmigen Aussiedler die Aufnahme wegen mangelhafter Deutschkenntnisse. Sprachtests sind neue Praxis

Berlin (taz) – Wer als Spätaussiedler über ungenügende Deutschkenntnisse verfügt, muß damit rechnen, nicht in der Bundesrepublik aufgenommen zu werden. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin hervor, die Präzedenzcharakter haben könnte. Nach Ansicht der Richter reicht danach das Bekenntnis zum „deutschen Volkstum“ als Voraussetzung für die Aufnahme nicht aus. Vielmehr müßten die im Bundesvertriebenengesetz festgelegten Merkmale wie „Sprache, Erziehung und Kultur“ hinzukommen.

Konkret verhandelten die Richter über den Fall eines 31jährigen Russen aus Perm. Der Sohn eines russischen Vaters und einer seit 1992 in der Bundesrepublik lebenden deutschstämmigen Mutter hatte an einem Sprachtest in der deutschen Botschaft in Moskau teilgenommen. Dabei wurde laut Gericht festgestellt, daß der Betroffene zwar „einfache Wörter und Sätze“ schreiben konnte, aber „nicht in der Lage war, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen“.

Mit der Entscheidung wurde ein früheres Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgehoben. Dies hatte die Bundesrepublik zur Aufnahme des Betroffenen und seiner dreiköpfigen Familie verpflichtet. Insbesondere war dem Kläger damals zugute gehalten worden, daß er schon als 16jähriger in seinem Inlandpaß gegenüber den sowjetischen Behörden die Frage nach seiner Nationalität mit „deutsch“ beantwortet hatte. Dagegen urteilte jetzt das Bundesverwaltungsgericht: „Wer russisch als Muttersprache spricht, ist grundsätzlich dem russischen Kulturkreis zuzurechnen“.

Das Bundesverwaltungsamt in Köln, das erfolgreich Revision gegen das Münsteraner Urteil eingelegt hatte, wollte sich gestern zur Entscheidung der Berliner Richter nicht äußern, solange keine schriftliche Begründung vorliegt. Sprachtests gehören seit Mitte Juli diesen Jahres zur Praxis in den deutschen Botschaften und Generalkonsulaten der ehemaligen UdSSR. Dort arbeiten im Auftrag des Bundesverwaltungsamtes derzeit 19 Sprachtester. Deren Zahl soll Anfang 1997 auf 45 erhöht werden. Nach dem 1993 verabschiedeten Aussiedleraufnahmegesetz kann die Bundesrepublik jährlich bis zu 220.000 Deutschstämmige aus Osteuropa ins Land lassen. Der Sprecher des Bundesverwaltungsamtes, Günter Kretschmar, bestätigte gestern, daß die Einführung der Sprachtests mit ein Grund zur gesunkenen Zahl von Spätaussiedlern sei. Während 1995 die Quote mit rund 215.000 fast ausgeschöpft wurde, sei in diesem Jahr mit einer Zahl von rund 180.000 zu rechnen. Severin Weiland