Ein ziemlich kleiner Schlapphut

■ Bremens Fußballmanager Lemke kontra Hamburgs Ex-Verfassungsschutzchef Horchem vor Gericht

Landgericht Bremen, zwei Männer gehen hintereinander in denselben Gerichtssaal und würdigen sich keines Blickes: Willi Lemke, Bremens Fußball-Manager und Hans-Josef Horchem, früher Verfas-sungsschutz-Chef in Hamburg. Lemke verlangt von Horchem 500.000 Mark wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte: Aufgrund einer Bemerkung in den Horchem-Memoiren „Auch Spione werden pensioniert“ war Lemke in Bremen als ehemaliger KGB- und VS-Kontaktmann enttarnt worden.

Die beiden Männer kannten sich bisher nur aus den Akten. Horchem war 1970 oberster Verfassungsschützer in Hamburg, als Willi Lemke, damals Student und Asta-Sportreferent in der Hansestadt, bei einer Reise in die DDR vom sowjetischen Geheimdienst KGB angesprochen worden war. Über Jahre erhielt Lemke Geld vom KGB. Nach eigenen Angaben hatte er sich aber sofort an den Verfassungs-schutz (VS) gewandt – und war ermutigt worden, die Kontakte zum Schein weiter zu pflegen. Der VS legte gar monatlich eine Summe auf das KGB-Salär drauf – der Nebenverdienst des „Doppelagenten“ lag in der Höhe des damaligen Bafög-Satzes. Lemke will dem KGB bei den insgesamt zwölf Treffen nichts Wesentliches erzählt haben.

„In höchst unverantwortlicher Weise“, so empört sich der Lemke-Anwalt Klischies vor der Bremer Zivilkammer, habe der Hamburger VS den 23jährigen Studenten „zu einem lebensgefährlichen Verhalten angestiftet“. Nur „auf Drängen des VS“, erinnert sich Lemke, habe er sich mit dem KGB getroffen, niemand habe ihn über das Risiko aufgeklärt.

Seitdem die Geschichte 1994 öffentlich wurde, muß sich der Vereinsmanager in Fußballstadien von Zuschauern als „Kommunisten-Sau“ und „Stasi-Schwein“ beschimpfen lassen. Lemke: „Diese Veröffentlichung hat mein Leben verändert.“ So habe ihn die Bremer SPD 1994 als Kandidaten für die Wahlmännerversammlung des Bundespräsidenten gestrichen – „und hier sitzt der Mann, der die Verantwortung dafür hat“.

Doch Horchem bereut den Absatz in seinem Buch nicht. Mehrere Studenten seien damals verpflichtet worden, erklärt er. Er habe beim Schreiben des Buches den Namen dieses Falles gar nicht gekannt. Horchems Anwalt betont, aus der Buchpassage hätte nur derjenige in Bremen auf Lemke schließen können, der den Vorgang kannte – eine Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit könne Horchem deshalb nicht vorgeworfen werden. Auch das Hamburger Amtsgericht hat Horchem im November 1994 in erster Instanz freigesprochen. Die Presse habe durch einen „Tip“ von der Geschichte erfahren, nicht aus dem Buch. Und eine Verletzug der Persönlichkeitsrechte könne das, was da an Tatsachen stehe, schon deshalb nicht sein, weil es eine Ehre sei, für den deutschen Verfassungsschutz zu arbeiten.

Das Gericht will in vier Wochen das Urteil zustellen. Beim Gang aus dem Gerichtssaal blickt Lemke nur einmal ganz kurz und verstohlen auf seinen früheren Auftraggeber. Dann gehen sich die beiden Männer wieder aus dem Weg.

Klaus Wolschner