Von der Schnapsidee zum Rausch

Die Kreuzberger Bier-Company hat einen „Hanftrunk“ entwickelt. Das Gebräu entspricht nicht dem Deutschen Reinheitsgebot und darf deshalb nicht als Bier bezeichnet werden  ■ Von Tobias Rapp

Es sieht aus wie Bier. Es schmeckt wie Bier. Es wird hergestellt wie Bier. Und es besteht fast aus den gleichen Ingredenzien wie Bier, aber es darf nicht Bier heißen: der „Hanftrunk“ einer kleinen Kreuzberger Brauerei, der Bier-Company. Ein Vier-Personen-Betrieb, der neben internationalen Bierspezialitäten und Brauereibedarf für zu Hause auch Wochenend- Crashkurse im Bierbrauen anbietet.

„Am Anfang war es eine Schnapsidee“, erzählt Asbjörn Gerlach, diplomierter Braumeister und einer der vier Hanftrunk-Entwickler, „als wir erfuhren, daß der Hanfanbau legalisiert wird, dachten wir uns: Hopfen ist ein Cannabisgewächs, was liegt da näher, als es zum Bierbrauen zu benutzen?“ Zumal es im Mittelalter üblich war, Bier auf Hanfbasis zu brauen. Gesagt, getan. Rund ein Dutzend Versuchsreihen ließen die vier Brauer durch die Kessel laufen. Es galt herauszufinden, welche Hanfsorte am besten schmeckt und welche Mischverhältnisse optimal sind. Schließlich war es soweit. In dem Brauverfahren, das sich die Company sofort schützen ließ, ist ein großer Teil des Hopfens durch Hanf ersetzt. „Ein Rest Hopfen muß bleiben, um den Trunk zu konservieren“, erläutert Gerlach, „nimmt man nur Hanf, kippt das Bier nach ein paar Tagen um und wird sauer.“

Nur Bier dürfen die Hanfbrauer ihr Getränk nicht nennen. Der Grund dafür stammt aus dem Jahre 1516. Damals verabschiedete die bayrische Regierung das Reinheitsgebot für Bier. Die Beschränkung der Zutaten für Bierherstellung auf die vier Grundsubstanzen Wasser, Hopfen, Malz und Hefe beendete ein jahrhundertelanges anarchisches Treiben. Bis dahin wurde Bier aus allen möglichen Substanzen hergestellt. Neben Honig und diversen Früchten und Gewürzen fanden auch Stechapfel, Besenkraut und ähnlich bewußtseinserweiternde Substanzen ihren Weg in die Braukessel. Es war die Herstellung des Getränks, der Brauvorgang, der entschied, ob es sich um Bier handelte, und nicht die Zutaten.

Doch seitdem sind fast fünfhundert Jahre vergangen, und zumindest die Kreuzberger Brauer zweifeln den Sinn des Gesetzes an. Im Lebensmittelgesetz sei ohnehin geregelt, welche Substanzen zur Nahrungsmittelproduktion erlaubt seien und welche nicht. „Damals hat diese Beschränkung auf die vier Grundsubstanzen Sinn gemacht“, sagt Asbjörn Gerlach, „heute nützt es nur noch den Großbrauereien.“ Immer mehr Brauereien müßten schließen, weil sie dem Konkurrenzdruck nicht mehr standhalten könnten. Und die einzige Chance für kleine Brauereien, die Kreation neuer Sorten und das Besetzen kleiner Marktnischen, werde durch das Reinheitsgebot blockiert, so Asbjörn Gerlach.

Zu den deutschen Lebensmittelbehörden haben die Kreuzberger Bierbrauer ohnehin ein gespanntes Verhältnis. Weil die Legalisierung von Nutzhanf noch relativ frisch ist, ist Cannabis als Lebensmittel zwar nicht mehr verboten, aber auch noch nicht erlaubt. Es fehlt in den Regelwerken schlicht und einfach. Die Bier- Company ist jedoch zuversichtlich: „Wir haben unsere Genehmigungsanträge eingereicht, die Frist ist verstrichen, und uns wurde nicht widersprochen.“

Doch das Reinheitsgebot ist nicht das einzige Problem, mit dem die Bier-Company zu kämpfen hat. Weil sie in ihrer eigenen Brauerei nur sehr beschränkte Kapazitäten haben, versuchten die vier Hanfbrauer, in größeren Brauereien Kessel zu mieten. Doch die deutsche Brauzunft entpuppte sich als konservativ. Eine Reihe von Brauereien lehnte ab, weil sie mit Hanf nichts zu tun haben wollten.

Noch gibt es den Hanftrunk nur im Stammhaus der Brauerei in Kreuzberg zu kaufen. Und mit 15 Mark ist die Ein-Liter-Flasche relativ teuer. Das liegt laut Gerlach vor allem an den mittelalterlichen Verhältnissen bei der Ernte. Die Hanfbrauer können für ihren Trunk nur die Blüten der Pflanzen gebrauchen. In Ermangelung entsprechender Maschinen müssen die kostbaren Hanfblüten aber wie vor Einführung des Reinheitsgebots handverlesen werden. Trotzdem hat die Bier-Company bereits Anfragen aus ganz Deutschland vorliegen und plant im kommenden Januar eine Flasche im üblichen 0,33-Liter-Format auf den Markt zu bringen. Über einen Großhändler vertrieben, soll sie etwa zwei Mark kosten.

Außerdem schenken einige Berliner Kneipiers das Hanfbräu aus. Denn das Verbot, den Hanftrunk Bier zu nennen, hat auch Vorteile. Weil es kein Bier ist, sind Kneipiers nicht an die Exklusivverträge der Biergroßhändler gebunden. Jede Kneipe mit einem freien Zapfhahn kann den Hanftrunk anbieten, ohne Ärger mit den Zulieferern zu bekommen. Und in den Berliner Kneipen, die den Hanftrunk anbieten, erfreut sich das Getränk großer Beliebtheit. „In einer der Kneipen, die wir beliefern, bestreitet der Hanftrunk mittlerweile 60 Prozent des Bierumsatzes“, sagt Asbjörn Gerlach.

Von den etablierten Großbrauereien haben die Kreuzberger Kleinbrauer auf jeden Fall keine Konkurrenz zu befürchten. Eine Sprecherin der Schultheiss-Brauerei erklärte auf Anfrage, ihre Firma werde weiterhin ausschließlich klassisches Bier brauen. „Wir bleiben beim deutschen Reinheitsgebot. Die Verbraucher richten sich danach. Bei Hanf-Bier sehen wir nicht die großen Absatzmengen.“

Kontakt: Bier-Company, Körtestraße 10, 10967 Berlin; Tel.: 6932720