Flauer Flugbetrieb

Das Musical „Space Dream“ soll ab nächstem Jahr Leben in den Flughafen Tempelhof bringen  ■ Von Kolja Mensing

Der Hangar II des Flughafens Tempelhof sieht aus wie eine überdimensionierte schäbige Turnhalle: grauer Betonboden, riesige Stahlträger und eine Front aus Milchglasscheiben. Doch die triste Kulisse soll sich im nächsten Vierteljahr in einen High-Tech-Traum verwandeln: Am 27. Februar startet in dem umgerüsteten Hangar das Musical „Space Dream“.

Die Flugzeuggarage wird man dann kaum noch wiedererkennen. An der Kopfseite des Raumes ist eine 25 mal 16 Meter große Drehbühne geplant, davor Zuschauertribünen mit Plätzen für mehr als 1.400 Besucher. Kein Musical ohne Gourmet-Station und Merchandising-Zentrale: Der Hangar wird geteilt, im hinteren Bereich ein großflächiges Foyer mit drei Bars abgetrennt. Auf einer Galerie oberhalb des Foyers können sich die Besucher vor und nach der Show verköstigen lassen. Die Schiebetüren zum Rollfeld verschwinden hinter Verkleidungen, nur die Stahlträger der Dachkonstruktion werden noch etwas vom industriellen Charme der Halle behalten.

Dabei ist ein wenig Techno-Dekor keineswegs fehl am Platz – und die Veranstalter hatten für ihre Pressekonferenz auch extra eine Apollo-Kapsel in die Halle geschleppt. Denn „Space Dream“ ist eine Mischung aus romantischem Traumspiel und Weltraum-Abenteuer: Novalis meets Enterprise. Erdling Reachel, zuckersüß, aber leider von der Liebe enttäuscht, träumt sich in die unendlichen Weiten des Weltraums hinein. Dort leben in fernen Galaxien zwei befeindete Gruppen nebeneinander, nur durch eine „verbotene Zone“ getrennt. Reachel gerät zwischen die Fronten – und darf erleben, wie die Haßmauer fällt. Denn am Schluß vertragen sich natürlich alle, und auch Reachel, die irgendwo im Grenzbereich von Phantasie und Wirklichkeit Schiffbruch erlitten hat, findet ihre blaue Blume: interstellares Liebesglück mit dem Astro-Prinzen Rodin.

Autor Harry Schärer fühlte sich offenbar vom Kalten Krieg und seinem Feuerwerksende vor sieben Jahren inspiriert, als er das Musical schrieb. „Space Dream“ läuft seit März 1995 erfolgreich in Baden bei Zürich. Die Schweizer Verlegerin Britta Eichenberger sah die Premiere und fand, daß die Geschichte ganz gut in die deutsche Hauptstadt passen würde. Flugs gründete sie eine Produktionsfirma mit Sitz in Berlin. Der Flughafen Tempelhof mit seinem Luftbrückendenkmal und seinem leeren Hangar erschien den Veranstaltern als idealer Aufführungsort für die zeitgeschichtlich aufgemotzte Ufo-Schmonzette.

Auch Klaus Diel von der Interessengemeinschaft City Airport Tempelhof (ITAC) ist begeistert: „Eine bessere Kombination kann man sich gar nicht vorstellen. ,Space Dream‘ ist ein absolut positiver Anfang, den Flughafen zu beleben und ihm eine attraktive Ausstrahlung zu verleihen.“ Die ITAC setzt sich dafür ein, nach alternativen Nutzungskonzepten für die 300.000 Quadratmeter große Fläche in den Gebäuden am Tempelhofer Damm und dem Columbiadamm zu suchen. Denn der flaue Flugbetrieb nimmt zur Zeit nur ein knappes Drittel davon in Anspruch.

Bei der Berliner Flughafengesellschaft (BFG) ist man durchaus offen für solche Pläne. Ludwig Turba, für die Infrastruktur des Standorts Tempelhof zuständig, gefiel die Idee, ein Musical auf dem Gelände unterzubringen, und setzte sich auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen durch. Zwar wiegelt Turba ab, als er nach weiteren Großprojekten gefragt wird: „Wir können jetzt nicht einfach noch weitere Hangars räumen und neu vermieten.“ Aber ein frischpoliertes Image könne der Anlage in Tempelhof, der durch den neugeplanten Großflughafen Schönefeld möglicherweise das Aus droht, nicht schaden: „Der Flughafen muß sich Besuchern öffnen. Viele wissen überhaupt nicht, daß man hier einfach hineingehen kann.“

Also arbeiten sie Hand in Hand: Die BFG hat Unterstützung bei den Umbauarbeiten zugesichert und stellt vor allem einen großen Parkplatz zur Verfügung. Auch die Lufthansa ist als Sponsor dabei und bietet Billigflüge für Musical- Besucher aus anderen Städten an. Alle setzten auf Erfolg – und die BFG verdient daran. Neben einem Sockelbetrag, den die Musical-Betreiber als Miete für den HangarII zahlen, ist die Flughafengesellschaft prozentual am Kartenverkauf beteiligt und sichert sich so ihr Stück vom Spacecake.

Produzentin Brigitte Eichenberger ist zuversichtlich. Sie rechnet damit, daß das Stück mehrere Jahre laufen wird. Auch wenn sich der Musical-Betrieb in Berlin eher zögerlich anläßt und protzige Konkurrenz-Shows wie „Shakespeare & Rock 'n' Roll“ nicht allabendlich die gewünschten Publikumsmassen abfertigen: Das „Space Dream“-Team läßt sich nicht einschüchtern. „Wir denken, daß die Berliner durchaus ein Musical sehen wollen, das nicht einfach nur ein Broadway-Abklatsch ist“, sagt Vivi Eickelberger, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Ob die 14 Millionen Mark teure Rechnung aufgeht, wird sich im nächsten Jahr zeigen. Bis dahin werden alle Werberegister gezogen: Der hiesige Ober-Spaceman Ulf Merbold hat die „Schirmherrschaft“ über das Projekt übernommen (was immer das heißen mag), Berliner Radiosender werden mittels der üblichen nervtötenden Gewinnspiele Karten unters Volk bringen. Wer kein Ticket gewinnt und nicht von 32 Mark aufwärts an der Kasse löhnen will, kann sich vertrauensvoll an die Kühltruhe seines örtlichen Supermarkts wenden: Sponsor Botterbloom arbeitet fieberhaft an einem Eis zum Musical.