Selbst entscheiden, was drin ist

Unterschriftenaktion gegen Gen-Soja läuft noch bis Ende November. Ab nächster Woche gibt es Unbedenklichkeitslisten bei der Verbraucherzentrale  ■ Von Kirsten Niemann

Mitte Oktober fühlte sich das Robert-Koch-Institut genötigt, per Pressemitteilung genmanipulierter Soja die gesundheitliche und ökologische Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Die Bevölkerung denkt anders. Wie eine aktuelle Umfrage ergab, wollen 79 Prozent der Verbraucher keine genmanipulierten Sojaprodukte essen. Nur hilft ihnen diese Einstellung momentan wenig, da es keine Kennzeichnungspflicht dieser Produkte gibt. 94 Prozent wünschen diese Kennzeichnung, wenn dieser Bohnenmutant überhaupt auf dem Markt zugelassen ist. Der Senat fühlt sich nur geringfügig in die Pflicht genommen, etwas für die hiesigen Verbraucher zu tun. Dr. Spengler von der Fachabteilung für Lebens- und Arzneimittel, Lebensmittelchemie und Tierseuchen hält sich da ganz an die EU- Verordnung. „Natürlich sind wir daran interessiert, daß eine neue Verordnung kommt, doch momentan sieht es nun mal so aus, daß das, was von der EU verordnet wurde, geltendes Recht ist.“

Von Reaktionen oder Anfragen aus irritierten Verbraucher- und Handelskreisen hat man in dieser Abteilung noch nichts vernommen. Kein Wunder, denn bis sich ein Senatsmitarbeiter bereit erklärt, über das leidige Thema zu sprechen, vergehen Stunden.

Die Käufer sind verunsichert – höchste Zeit für die Verbraucherverbände, aktiv zu werden. Seit vier Tagen läuft von der Verbraucherzentrale für Ernährungswirtschaft in Brandenburg eine Aktion, die sich direkt an jene Firmen wendet, die Soja in ihren Produkten verarbeiten. In Anlehnung an eine Idee der Verbraucherschutzverbände in Nordrhein-Westfalen hat die Brandenburger Zentrale jetzt ebenfalls eine Postkartenaktion ins Leben gerufen, in der aufgeregte Konsumenten den Firmen Unilever, Oetker und Nestlé ihren Mißmut über die aktuelle Soja-Regelung äußern können. „Wenn schon genmanipulierte Soja verwendet wird, dann soll das gefälligst auch kenntlich gemacht werden“, heißt es von der Zentrale. Gegen die Gepflogenheiten in den USA könne man schließlich nichts machen, doch sollte man hier jede Chance nutzen, auf die Firmen Druck zu machen. Denn „daß 79 Prozent der Verbraucher keine Gen-Soja essen wollen, ist ja nun hinlänglich bekannt“. Diese Unterschriftenaktion soll noch bis Ende November laufen und erfreut sich großen Zuspruchs in der Bevölkerung.

Anke Loschinski von der Berliner Verbraucherzentrale für Ernährungswirtschaft rät verunsicherten Kunden, ihre Lebensmittel künftig nur noch in Naturkostläden zu kaufen. Zumindest bis eine Kennzeichnung der genmanipulierten Waren vom Gesetz vorgeschrieben ist. „Bei der Sojabohne hört es ja nicht auf“, sagt Loschinski, „die ist erst der Anfang“, denn mit anderen Produkten werde man natürlich nachziehen. Durch Aufklärungsarbeit mittels Broschüren wolle man Einfluß auf die Kaufentscheidungen der Verbraucher nehmen. „Die meisten Anrufer wollen zunächst mal darüber informiert werden, in welchen Produkten überhaupt Soja verwendet wurde“, sagt die Beraterin, „oder sie wollen Alternativen wissen.“ Kurioserweise haben sogar schon die eigentlichen Widersacher der Verbraucher, nämlich einzelne hilflose Händler, bei ihrer Stelle um Rat gefragt, wundert sich Loschinski. „Doch die müssen schon selbst einen Weg finden, wie sie auf die Industrie Druck ausüben können.“

Der Verband der Berliner Reformhausinhaber und Lebensmittelkaufleute setzt ebenfalls auf ein Aktivwerden der Herstellerfirmen. „Wir wollen unseren Kunden nichts unterjubeln. Natürlich würden wir sowohl genbehandelte Ware, aber auch reine Produkte in die Läden stellen. Der Kunde muß doch selbst entscheiden können, was er ißt“, fordert der Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Dazu müsse schleunigst die Kennzeichnungspflicht eingeführt werden. Denn bei dem gegenwärtigen Zustand könne man ja gar nichts machen. „Wir können diese Lebensmittel weder stoppen noch von unbehandelten Produkten auseinanderhalten“, sagt Tromp.

Das wird man bald doch können, nämlich dank einer Initiative des Dachverbands der Verbraucherzentralen, der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV). Schließlich hat man bereits vor Monaten schon 163 Lebensmittelhersteller angeschrieben und um eine Stellungnahme zum Thema Gen-Soja gebeten. „Obwohl der Verband der Lebensmittelwirtschaft den Firmen von einer Stellungnahme abgeraten hat, haben bisher über ein Drittel geantwortet.“ Ernst-Michael Epstein von der AGV wertet das als großen Erfolg. Zudem habe man so erfahren, daß ein großer Teil der fleischverarbeitenden Industrie, die Soja sogar benutzen darf, dieses Gemüse traditionsmäßig nicht verwende. Andere Firmen verwenden Bohnen, solange die Reinheit garantiert ist. Wenn es keine unbehandelte Soja mehr geben sollte, wolle man eben auf andere Lösungen umsteigen. Ein dritter Teil der Hersteller will sich künftig bei den Vorlieferanten vertraglich absichern, daß diese keine gengepanschten Produkte verwenden. „Es ist auf jeden Fall positiv zu bewerten, daß immerhin ein Drittel der Firmen eine große Sensibilität für dieses Thema aufbringt“, so Epstein. Eine Liste der Firmen, deren Zutaten unbedenklich sind, werden ab nächster Woche bei den Verbraucherzentralen einzusehen sein.

Robert-Koch-Institut: 454 71 2286, Senatsverwaltung für Gesundheit: 867 42 78, Berliner Verbraucherzentrale: 214 85 140, Brandenburger Verbraucherzentrale: (0331) 289 33 32