Werbung auf arte

■ "World's best sellers" als Themenabend: "Über die Kunst, Menschen von ihrem Geld zu trennen" (So., 20.45 Uhr, arte)

Um es vorweg zu sagen: Über „die Kunst, Menschen von ihrem Geld zu trennen“, erfahren die arte-ZuschauerInnen am Sonntag abend eigentlich so gut wie nichts. Keine Fakten, keine Zahlen, nichts über Erfolg oder Grenzen der Konsumforschung, keine Bilanzierung von Werbewirkung und Zielgruppen. Diejenigen, die von ihrem Geld getrennt werden (sollen), kommen nicht vor.

Das Objekt der Werbe-Begierde taucht nur kurz einmal auf: Ein Laiendarsteller, Typ amerikanische Durchschnittszielgruppe, sitzt auf dem Sofa vor der Glotze. Auf dem Bildschirm erscheint der legendäre englische Posträuber Ronald Biggs und dazu die Bildunterschrift „thief“. Mit dem Arm greift Biggs aus der Mattscheibe nach den Greenbacks des Konsumenten und sagt grinsend: „Willkommen in der hohen Kunst, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.“

Werbung funktioniert eben. Und daß diese selbstironische Sequenz den Themenabend nicht eröffnet, sondern etwas unvermittelt irgendwo in der Mitte dazwischengeschnitten wird, mag allenfalls kleine Geister stören. Denn die Devise des Autors, Regisseurs und Produzenten Hermann Vaske lautet: „Think big!“

So erfährt man in seiner dreimal 50 Minuten langen, aufwendigen Mammut-Dokumentation eine Menge über das Filmemachen und über die Macher von Filmen. Vor allem aber ahnt man, daß Vaske gerade dort Anerkennung begehrt, wo er sich zu Hause fühlt: im Olymp der fine art of advertising an sich, bei den Machern von Werbung, the world's best sellers genannt, die der Konsument ansonsten nie zu Gesicht bekommt (und Nicht-Insidern ohnehin kaum bekannt sein dürften).

Vaske, Jahrgang 1956, der erst an der Berliner Hochschule der Künste Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation, dann an David Lynchs American Film Institute in Los Angeles studierte, ist selbst ein Werbeprofi. Lange Zeit arbeitete er als Kreativdirektor für diverse Topagenturen.

Sein zunftgemäß sehr amerikanischer Film folgt der Maxime des breaking walls, des Durchstoßens der Grenzen verschiedener gestalterischer Disziplinen, und besteht aus exquisit arrangierten Interviews mit eingestreuten Top-Spots (was Fans der Cannes Rolle erfreuen wird). Vaske macht eine Art Betriebsausflug zu Bekannten rund um den Globus, für den er Dennis Hopper als Moderator einspannte und samt Sofa, Crew und drei LKWs voller Ausrüstung auf ein Hochplateau des marokkanischen Atlas hievte – ein monumentaler Werbefilm für Vaske selber, die Bewerbung um einen Preis vom Art Directors Club und den Goldenen Löwen in Cannes.

Und es ist ein Werbefilm für die Werbung, die aus Vaskes Sicht Teil unserer Populär-Kultur ist und Charakteristikum des vom Visuellen geprägten ausgehehenden 2. „Millenium“ (eines seiner Lieblingsschlagwörter). Die Liste von Vaskes InterviewpartnerInnen liest sich „wie ein ,Who's who‘ aus der Welt der Film-, Werbe- und Musikindustrie“, wie der arte- Pressetext zu Recht bemerkt, und Internet-Freaks werden (unter http://www.worlds-best.com) Zusatzinfos versprochen. Die anderen könnten sich die aktuellste Ausgabe von Helliwells Filmgoer's Companion zurechtlegen. Dazwischen ist Entspannung angesagt bei der britischen Satire „Ein erfolgreicher Mann“. Der weiß plötzlich die Antwort auf viele Fragen: „Das Problem der Welt ist die Werbung.“ Ulla Küspert