Italiens Lieblingspolitiker wirft das Handtuch

■ Der Rücktritt Di Pietros kann große Wirkungen auf die italienische Politik haben

Rom (taz) – Der Rücktritt Antonio Di Pietros, ehemals Chefermittler der Antikorruptionskommission „Saubere Hände“ und seit Mai Minister für öffentliche Arbeiten, platzte mitten in die Haushaltsberatungen im Parlament und die Welternährungskonferenz der FAO. In seinem Demissionsschreiben drückt der Minister seine ganze Bitterkeit über das neue Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Korruption aus.

Soweit erkenntlich, basieren die Ermittlungen auf einigen, schon im September widerrechtlich veröffentlichten Sätzen aus Abhörprotokollen. Darin hatte ein Italoschweizer Bankier Sätze gesagt wie „Di Pietro und Lucibello [ein mit Di Pietro befreundeter Anwalt, der auch der Verteidiger des Bankiers war; Anm. d. Red.] haben mich rausgeholt“ und „ich habe dafür bezahlt, daß ich nicht in den Knast mußte“. Aber auch: „Aber ich habe denen kein Geld gegeben.“ Da der Bankier geständig war, war er mit einem Strafbefehl in Höhe mehrerer Millionen Mark davongekommen. Doch die Staatsanwaltschaft von Brescia, die bereits vier Strafverfahren gegen Di Pietro angeleiert hatte, sah diese Sätze als ausreichend an, erneut gegen den Minister vorzugehen. In der Regierungskoalition herrschen zwiespältige Gefühle über den Rücktritt: Einerseits gilt das Ausscheiden Di Pietros als ein großer Verlust für das Ansehen der Regierung. Andererseits sind manche Kabinettskollegen, vor allem der grüne Umweltminister Ed Ronchy, mit dem auf schnelle Freigabe großer Projekte drängenden Di Pietro über Kreuz. Auch der Chef der Mehrheitsfraktion PDS, Massimo D'Alema, wäre mit dem Abtritt des parteilosen Irrwischs einen überlegenen Konkurrenten um die Publikumsgunst los, wäre da nicht die Gefahr, daß Di Pietro nach dem absehbaren nächsten Freispruch eine eigene Partei gründen würde. 70 Prozent der Italiener könnten sich Di Pietro als Regierungschef vorstellen.

Bleibt Di Pietro bei seiner Entscheidung, befürchten die Ordnungskräfte schwere Unruhen und möglicherweise die schlimmste institutionelle Krise seit Einführung der Republik vor fünfzig Jahren. Attentatsdrohungen gegen Ermittler, die Di Pietro seit Jahren nachstellen, sowie Politiker und Unternehmer, die Rache an ihm nehmen wollten, werden von der Polizei sehr ernst genommen. „Die Gefahr eines neuen Terrorismus“, so ein hoher Beamter, „steigt mit dieser Entwicklung enorm.“ Regierungschef Prodi hat sich deshalb vom Kabinett die Vollmacht geholt, das Rücktrittsgesuch einfach abzuweisen. Werner Raith