"Liebe taz..." "Kurden werden diskriminiert" - betr.: "Verdeckte Ermittlungen", taz vom 8.11.1996

Betr.: „Verdeckte Ermittlungen“, taz vom 8.11.96

Als eine in Bremen lebende Kurdin möcht ich Ihnen und Ihren LeserInnen mitteilen, wie sehr ich und andere Kurden sowie unsere Freunde von dem Dokumentarfilm „Terror, Drogen und Parolen“ des Herrn Sodemann und des Herrn Koch enttäuscht sind. Ich persönlich glaube nicht, daß „die Sache der Kurden“ bei „vielen Deutschen“ auf „große Sympathien“ (Frankfurter Rundschau, 8.11.96) stößt, denn sonst hätten wir ja nicht so viele Schwierigkeiten – hier in Deutschland. Solche Art von Dokumentarfilmen erschweren es den Kurden umso mehr, für ihre Sache Unterstützung zu kriegen. Es ist unerhört, wie Herr Sodemann und Herr Koch vorgegangen sind: Die Informationen haben sie von deutschen Polizisten und Beamten, einem Ausnahmezustandsgouverneur in Bingöl (Kurdistan), dem türkischen Innenminister Mehmet Agar (der in die Mafia verwickelt ist und aufgrund des einen Unfalls, der die „engen Verstrickungen zwischen Politik, Polizei und Mafia“ – siehe taz, 8.11.96 – aufdeckte, zurückgetreten ist) und einem Kurden (Cürükkaya), der nur darauf hinaus ist, das kurdische Volk und die kurdische Bewegung mit schmutzigen Methoden zu bekämpfen. Das ist keine objektive Berichterstattung! Als Beweis für „reiche Kurden“, die in Bremen mit Drogen handeln und in Bingöl „schöne Häuser“ kaufen, zeigen Herr Sodemann und seine Mitarbeiter die Goldwarengeschäfte und sprechen mit dem türkischen Gouverneur (der die kurdische Identität leugnet). Diese Goldwarengeschäfte gibt es überall in der Türkei – handeln alle mit Drogen?! Das sind keine „wichtigen Informationen“, sondern falsche Ermittlungen.

Es wird der Eindruck erweckt, als würden alle Kurden in Bremen mit Drogen handeln. Damit wurden die Kurden wieder einmal diskriminiert und kriminalisiert - gerade von jemandem, dem sie vertraut haben.

In dem Film sollte es hauptsächlich um den kurdischen Jugendlichen gehen, der seine Leidensgeschichte der deutschen Öffentlichkeit erzählen wollte. Dieser Teil kam in dem Dokumentarfilm zu kurz. Herr Sodemann hat diesen Jugendlichen, der ihm vertraut hat, benutzt für seine „verdeckten Ermittlungen“.

Außerdem wurde der Kurdisch-Deutsche Solidaritätsverein in Bremen wieder einmal kriminalisiert. Der deutschen und nichtdeutschen Bevölkerung wird der Eindruck vermittelt, als ob dieser in „solche Dinge“ verwickelt sei. Dieser Verein setzt sich für die Interessen der Kurden in Bremen ein, und versucht durch sozialarbeiterische Tätigkeiten den Jugendlichen zu helfen, und durch Öffentlichkeitsarbeit den Dialog zwischen der kurdischen und der deutschen Bevölkerung zu fördern.

In einer Zeit, in der die demokratischen Kräfte versuchen, den Dialog zwischen den Kurden, Türken und Deutschen zu fördern und einen Friedensprozeß einzuleiten, geht Herr Sodemann tausende von Schritten zurück und verfällt in die Sucher der „verdeckten Ermittlungen“! Yasemin Soylu Kosan