Wortkarger Rausch

■ Viel Energie für wenig Publikum: „Need A New Drug“ überzeugten im Lagerhaus

Manch nachdenklicher Zeitgenosse witterte makabre Komik darin, daß seit Tagen ausgerechnet am Sielwall-Eck Plakate klebten, auf denen in großen Lettern „Need A New Drug“ geschrieben stand. Diese Plakate bettelten natürlich nicht um eine Erweiterung des Drogenangebots, sondern warben für eine Band. Denn das gleichnamige Leipziger Trio spielte am Sonnabend im Lagerhaus.

Über die drei gut gekleideten und gepflegt frisierten jungen Herren war im Vorfeld zu lesen, sie klängen in den ruhigeren Momenten wie die brachialen Grunge-Vorreiter „Sonic Youth“. Da hätte es eigentlich eine ganze Menge Menschen interessieren müssen, wie eine derart beschriebene Band erst in den lauteren Momenten klingt. Leider war dem nicht so; lediglich wenige Musikbegeisterte verloren sich im Saal des Lagerhauses.

„Need A New Drug“ gaben sich dementsprechend wortkarg zwischen den Songs des zugabenlosen Konzertes. Durch ihr Spiel bewiesen sie aber, daß sie Vergleiche mit großen Vorbildern nicht scheuen müssen. Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger waren allesamt Könner an ihren Instrumenten und zudem noch treffliche Songschreiber. Da gab es trotz kraftvoller Rhythmusarbeit und erschlagenden Gitarrenwänden keine Angst vor Melodik und Ruhe. Die Gitarre spielte wunderschöne Melodien, die mitunter schon fast filigrane Töne boten. Feedbacks wurden kunstvoll in dafür vorgesehene Breaks gesetzt, einmal klang das Spiel auf extrem kurz gegriffenen Saiten wie virtuoses, elektrisch verstärktes Gezirpe auf einem Eierschneider.

Da „Noise-Rock“ im Programm stand, blieb es selbstverständlich nie beim Schöngeistigen. Obwohl alle Stücke zwischen zart und hart pendelten, sorgte die Band durch clevere Songstrukturen immer wieder für angenehmes Aufschrecken, wenn auf Rock Noise folgte, wuchtig angekündigt durch rumsendes Schlagzeug und Baß. Dabei betätigte sich der Bassist nicht nur als Krachmacher und Taktgeber, sondern vereinzelt auch als dominierender Melodiker. Besonders erfreulich aber der Gesang, der bei hardrockenden deutschen Nachwuchs-Acts mit englischen Texten vielfach ein Problem darstellt. Der „Need A New Drug“-Sänger jedoch überzeugte von sonor über vollmundig und flüsternd bis schrill mit selten gehörter Intensität. Schade nur, daß nicht mehr Leute zum Zuhören gekommen waren.

Andreas Neuenkirchen