■ Kanzler verknüpft Kohlesubventionen mit Atommüllfrage
: Lafontaine schluckt den Köder

Johannes Rau hat die SPD gestern davor gewarnt, sich von Helmut Kohl mit den Kohlesubventionen, die bis 1998 per Bescheid bewilligt und bis zum Jahr 2000 gesetzlich geregelt sind, nicht erpressen zu lassen. Rau will die Bergleute an Ruhr und Saar nicht in der Rolle der Geiseln sehen, über die sich die Bonner SPD ein Ja zum Gorlebener Endlager abpressen läßt. Doch es ist zu befürchten, daß die Kohle-Kumpel längst in der Rolle der Geiseln sind. Denn Kohl hat sich mit der Koppelung von Fortschreibung der Kohlesubventionen und SPD-Zugeständnissen bei der sogenannten „Entsorgung“ des Atommülls erneut als Meister der Intrige erwiesen. Der Kanzler setzt mit seinem Ansinnen an die SPD-Genossen an Saar, Ruhr und im Bundeshaus auf die Konkurrenz zwischen Schröder und Lafontaine.

Wie zu vernehmen ist, sieht sich Oskar Lafontaine mit einer massiven Drohung aus Bonn konfrontiert, die ihm die nächsten Wahlen im Saarland durchaus verhageln könnte. Von den drei Zechen an der Saar, so heißt es, solle nicht nur eine, sondern sollten gleich zwei geschlossen werden, wenn der Ministerpräsident nicht in den von Kohl geforderten Energiekompromiß einlenkt. Nicht um dreißig, sondern um siebzig Prozent würde dann die Zahl der Zechenarbeitsplätze an der Saar schrumpfen. Lafontaine ist gegen diese Drohung aus Bonn nicht auf die Barrikaden gegangen, sondern hat den von Kohl ausgelegten Köder brav geschluckt und den Willen zu einer Vereinbarung über die Atommüllentsorgung bekundet.

Offensichtlich folgte der SPD-Chef dabei dem Gedanken: Lieber den Konflikt nach Niedersachsen tragen, als ihn gegen Bonn ausfechten. In Hannovers Staatskanzlei rechnet man fest damit, bei der Atommüllentsorgung Federn lassen zu müssen. Natürlich waren Lafontaines Äußerungen, mit denen er ein Einknicken beim Gorlebener Endlager in Aussicht stellte, kein Zeichen politischer Weitsicht. Indem er der Erpressung aus Bonn nicht sogleich widerstand, hat der SPD-Chef sich vom Kanzler ohne Not den Schwarzen Peter in Sachen Kohlesubventionen zuspielen lassen. Auch die IG-Bergbau fordert schon von der SPD das Ja zu Gorleben. Kohl sieht sich aus der Schußlinie und kann in Ruhe den kommenden Streit der SPD-Spitzengenossen abwarten. Jürgen Voges