■ Telekom-Chef Ron Sommer gab gestern in Frankfurt/Main den Abgabepreis der T-Aktie bekannt. Heute wird der neue Börsenkomet in spe zum ersten Mal gehandelt. Jetzt gilt es, die zweieinhalb Millionen Kleinanleger bei Laune zu halten.
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Telekom-Chef Ron Sommer gab gestern in Frankfurt/Main den Abgabepreis der T-Aktie bekannt. Heute wird der neue Börsenkomet in spe zum ersten Mal gehandelt. Jetzt gilt es, die zweieinhalb Millionen Kleinanleger bei Laune zu halten.

Anschluß garantiert für 28,50 Mark

Drei Wochen lang mußte Telekom-Chef Ron Sommer sich und seine Firma in 17 Ländern anpreisen. Genaue Aktienpreise und Marktanteile in den nächsten Jahren konnte er den Tausenden von interessierten Großanlegern nicht nennen. Aber die orderten trotzdem – schließlich wirft der Konzern vor Zinsen und Steuern jedes Jahr zweistellige Milliardensummen an Gewinn ab.

Auch die 2,5 Millionen privaten Kleinanleger wurden auf die Folter gespannt: Was kostet denn nun die Fünf-Mark-Aktie der Deutschen Telekom – 25 oder 30 Mark? Wieviel Aktien bekommt überhaupt der Minispekulant? Gestern um elf Uhr lüftete Ron Sommer auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main den Vorhang: Eine T-Aktie kostet 28,50 Mark, und jeder Privatanleger bekommt zwischen 15 und 43 Prozent der georderten Aktien (s. Kasten). Schon vorher war klar, wer die potentiellen T-Aktionäre sind: Laut Telekom-Statistik sind sie gebildet, zu 85 Prozent männlich und überwiegend verheiratet. Nur 9 Prozent der Bewerber kamen aus dem Osten.

Heute wird der neue Börsenkomet in spe – er wird mit einem Gewicht von gut 4,5 Prozent den 30-Aktien-Index-Dax mitbestimmen – zum erstenmal an acht deutschen Börsen, in New York und ab morgen auch in Tokio gehandelt. Die Frankfurter Börsianer hatten noch nie so viele neue Aktien auf einen Schlag und werden deshalb eine halbe Stunde länger frei handeln lassen, um den erwarteten Ansturm von Käufen oder Verkäufen zu bewältigen und dann den Schlußkurs zu bestimmen. Am ersten Tag werden es mehr Käufe als Verkäufe sein. Der Kurs wird also erst mal steigen. Schließlich haben die Großanleger weniger Aktien für ihre Anlagefonds erhalten, als sie bestellt haben, und versorgen sich nun am freien Markt. Nach Banken-Angaben wurden weltweit 3,6 Milliarden Aktien geordert – sechsmal mehr, als ausgegeben werden. Die Anleger mußten mit einem Preis bis zu 30 Mark pro Aktie rechnen. Sie waren also bereit, der Telekom insgesamt über 100 Milliarden Mark zukommen zu lassen – ein neuer Weltrekord.

Die Telekom hatte nach dem Run auf ihre Anteilsscheine noch schnell beschlossen, statt ursprünglich geplanter 575 Millionen Aktien nun 690 Millionen frei an die Banken zu verkaufen. 30 Millionen Stück gehen darüber hinaus zu Vorzugspreisen an die T-Belegschaft. Das trug dem Telekom- Vorstand Kritik von Aktionärsvereinigungen ein, weil während der Abgabe von Bestellungen plötzlich die Geschäftsbedingungen verändert wurden. Schließlich hätten weniger Aktien an der Börse höhere Kurse erzielt. Doch die gut 700 Millionen Aktien bringen über 20 Milliarden Mark in die Kassen des mit etwa 100 Milliarden Mark verschuldeten Unternehmens; da konnte Ron Sommer nicht widerstehen. Der Kurs muß nun über Jahre hoch gehalten werden. Frühestens 1999 sollen noch einmal 280 Millionen Aktien ausgegeben werden. Danach will dann die Bundesregierung scheibchenweise ihre zwei Milliarden Anteilscheine auf den Markt bringen. Dabei muß das typische Telekommunikationstal an der Börse möglichst flach ausfallen, um Anleger bei Laune zu halten: Bei den meisten bisher weltweit privatisierten Telecomgesellschaften trieben begeisterte Anleger den Kurs erst nach oben. Später sackte er mehr oder weniger stark ab (s. unten).

Private Spekulanten können wohl erst ab Dienstag massiv Telekom-Anteile abstoßen. Zwar werden die Listen mit den Aktienbesitzern noch Sonntag nacht zu den Banken gebracht. Dort schieben die Belegschaften Sonderschichten. Aber nicht jedem Kunden dürfte es gelingen, bis Börsenschluß am Montag mittag zu seinem zuständigen Bankberater durchzudringen und die Zahl der ihm zugeteilten Scheine zu erfahren. Erst dann kann verkaufen, wer auf schnelle Gewinnmitnahmen spekuliert. Der Kurssprung muß allerdings erheblich sein, um Profit zu machen: Kauf und Verkauf kosten je ein Prozent des Aktienwertes an Provision an die Bank. Außerdem erhebt das Finanzamt eine Spekulationssteuer bei Wiederverkauf einer Aktie innerhalb von sechs Monaten.

Die Deutsche Telekom ist der dickste Brocken in einem weltweiten Rennen um Milliarden. Der Glaube an die Segnungen der Liberalisierung und die knappen öffentlichen Kassen treffen auf herumschwappendes Investitionskapital in bisher ungekannter Höhe. Das spekuliert mit hohen Gewinnen bei weltweiten Telekom-Gebühren von 750 Milliarden Mark pro Jahr. So rechnet das Wall Street Journal in den nächsten zwei Jahren mit Telekom-Börsengängen im Wert von 70 Milliarden Dollar, der Löwenanteil davon in Europa.

Die schnelle Mark für manche leere Staatskasse bringt wohl volle Gänge auf den Arbeitsämtern: Die meisten nationalen Kommunikationsmonopolisten werden massiv Leute entlassen. Schließlich dienen sie nun als Cash-Cow für die Aktionäre und nicht mehr zuerst als Verfügungsmasse für Regierungen. Wer auf jeden Fall gewinnt, sind die Banken – und das völlig ohne Kursrisiko. Sie kassieren für jeden Börsengang zwei bis drei Prozent des Aktienwertes als Gebühr. Reiner Metzger