UN-Truppe läuft Flüchtlingen nach

■ Nach der Rückkehr Hunderttausender Ruander ist die Aufgabe der Schutztruppe wieder unklar geworden

Gisenyi/New York (AP/AFP/dpa/rtr) – Kaum hatte sich der UN- Sicherheitsrat in der Nacht zum Samstag zu einer Entscheidung über eine internationale militärische Eingreiftruppe für Ostzaire durchringen können, da machte die Entwicklung an der zairisch-ruandischen Grenze das Mandat wieder fragwürdig. Von Ruandas Armee unterstützte Tutsi-Rebellen vertrieben die Hutu-Milizen der ehemaligen ruandischen Armee aus der Region um das Flüchtlingslager Mugunga – und die Hutu-Flüchtlinge traten umgehend die Rückkehr in ihr Heimatland an. Rund 700.000 Menschen sollen unterwegs sein, bislang haben rund 300.000 bei Gisenyi die Grenze überschritten.

Das Mandat, das der Sicherheitsrat einer internationalen Truppe unter kanadischem Oberbefehl erteilt hatte, sieht die Entsendung von rund 12.000 Soldaten aus 20 Ländern in die Region vor. Sie sollten ursprünglich das Leben der Flüchtlinge in Zaire schützen und ihre Versorgung sicherstellen. Jetzt, da ein großer Teil der Flüchtlinge nach Ruanda zurückkehrt, hält Ruandas Präsident Pasteur Bizimungu eine militärische Eingreiftruppe schlicht für überflüssig. „Die Sicherheit der Flüchtlinge ist kein Thema mehr“, sagte er der BBC. Bizimungu hatte die Flüchtlinge an der Grenze begrüßt. Er versicherte erneut, die Flüchtlinge hätten in Ruanda nichts zu befürchten. Amnesty international äußerte daran allerdings deutliche Zweifel. Die Menschenrechtsorganisation wies darauf hin, daß in Ruandas Gefängnissen rund 80.000 Hutu wegen der Massaker von 1994 einsitzen.

US-Außenminister William Perry sagte hingegen bereits am Samstag, zwar müsse die Aufgabenstellung der Schutztruppe angesichts der veränderten Lage überprüft werden, er bezweifele jedoch nicht, daß sie nach wie vor notwendig sei. Die USA wollen sich mit rund 1.000 Soldaten an der Schutztruppe beteiligen.

Auch der UN-Sonderbeauftragte für Zaire, Raymond Chrétien, hält die Mission weiter für erforderlich. Im Osten Zaires gebe es noch immer schätzungsweise 1,2 Millionen Flüchtlinge, die Hilfe brauchten. Tatsächlich sitzen in Bukavu, am von Tutsi-Rebellen kontrollierten Südufer des Kivusees, noch immer rund 500.000 Flüchtlinge ohne Versorgung fest. Und die Hutu-Milizen wurden zwar aus dem Lager Mugunga vertrieben, hindern aber weiter westlich noch immer Tausende von Flüchtlingen an der Rückkehr nach Ruanda.

Vertreter der Teilnehmerstaaten der Schutztruppe wollen am Mittwoch in Stuttgart über die veränderte Lage beraten. Gestern allerdings sind bereits die ersten kanadischen Soldaten in der ruandischen Hauptstadt Kigali eingetroffen, um dort ein Hauptquartier einzurichten und mit dem Aufbau der Logistik für die Schutztruppe zu beginnen. Sie drohten jedoch gestern abend, wieder zurückzufliegen, da ihnen die ruandischen Behörden nicht erlaubt hätten, ihre Waffen mitzunehmen.

Das Mandat der Schutztruppe ist zunächst bis zum 31. März 1997 befristet. Bis dahin sollen die Vereinten Nationen eine Folgemission vorbereitet haben. Die italienische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Emma Bonino, hatte am Samstag am Rande des Welternährungsgipfels in Rom das eingeschränkte Mandat der Truppe kritisiert. Sie forderte, die Truppe müsse die Hutu-Milizen entwaffnen und von den zivilen Flüchtlingen trennen. Sonst bestehe die Gefahr, daß bewaffnete Kräfte wiederum die Kontrolle über Lager oder Schutzräume übernehmen würden. Reportage Seite 9