Teheran will Freispruch erpressen

■ Bundesanwaltschaft soll nach iranischen Zeitungsberichten den Vorwurf des „Staatsterrorismus“ zurücknehmen, andernfalls würden die Beziehungen abgebrochen. Radio Teheran: Klaus Kinkel bedauert politische Verwicklungen

Teheran/Bonn (taz/dpa/AFP) – Irans Staatsführung will die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem „Mykonos“- Prozeß erpressen. Die in Regierungsangelegenheiten gewöhnlich gut informierte Teheraner Tageszeitung Dschomhuri Islami (Islamische Republik) berichtete gestern, Iran wolle Deutschland ultimativ auffordern, die Beschuldigungen der Bundesanwaltschaft zurückzunehmen, iranische Spitzenpolitiker hätten persönlich den Befehl zum Mord an vier oppositionellen iranischen Kurden 1992 im Berliner Restaurant „Mykonos“ gegeben. Andernfalls werde ein „Revisionsplan“ über die Beziehungen zu Deutschland durchgeführt.

Andere iranische Medien hatten zuvor den Abbruch der Beziehungen zu Deutschland gefordert. Radio Teheran sendete gestern: „Wir verlangen praktische Schritte, wie zum Beispiel einen international anerkannten Freispruch von all den Anschuldigungen der Bundesanwaltschaft.“ Der „Revisionsplan“ könnte am kommenden Sonntag aktuell werden: Dann trifft sich das iranische Parlament zur Sondersitzung in Sachen „Mykonos“.

In Bonn war man gestern bemüht, die Wogen zu glätten. Außenminister Klaus Kinkel habe mehrfach mit seinem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Welajati telefoniert, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Nach Darstellung von Chefpressesprecher Martin Erdmann betonte Kinkel dabei die Unabhängigkeit der deutschen Justiz und verwies Welajati auf die Verpflichtung, Deutsche im Iran zu schützen. Radio Teheran berichtete dagegen, Kinkel habe die politischen Verwicklungen um den „Mykonos“-Prozeß bedauert. Am Sonntag hatten etwa 2.000 Iraner vor der deutschen Botschaft in Teheran protestiert. In der iranischen Hauptstadt hieß es gestern, für heute habe sich die „Ansar Hisbollah“ angesagt – ein berüchtigter islamistischer Schlägertrupp.

Im Iran aktive deutsche Firmen reagieren eher gelassen auf die Ereignisse. „Wir haben keinerlei Hinweise auf irgendwelche Beeinträchtigungen unserer Mitarbeiter“, erklärte Siemens-Sprecher Enzio Kühlmann-Stumm gestern gegenüber der taz. Auch um die Einhaltung von Verträgen mache man sich in am stärksten im Iran vertretenen deutschen Unternehmen derzeit noch keine Sorgen.

Unterdessen wies die Bundesregierung iranische Vorwürfe zurück, Deutschland habe im iranisch-irakischen Krieg Bagdad bei der Entwicklung chemischer Waffen unterstützt und sei damit mitschuldig am Massenmord an etwa 5.000 Kurden in der Stadt Halabdscha. Vizeregierungssprecher Herbert Schmülling sagte gestern, deutsche Unternehmen hätten in den 80er Jahren am Bau von Anlagen mitgearbeitet, in denen Insektizide und Pestizide hergestellt werden sollten. Der Irak habe diese Anlagen für die Produktion von C-Waffen mißbraucht. Sofern deutsche Unternehmen an deren Entwicklung mitgewirkt hätten, sei die deutsche Justiz tätig geworden. Irans Justizchef Ajatollah Mohammad Jasdi hatte mit der Veröffentlichung von Dokumenten gedroht, mit denen nachgewiesen werden könne, daß Deutschland Irak während des Golfkriegs mit C-Waffen ausgerüstet habe. taud

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