Ebbe im Regal

 ■ Zehn Stück für zehn Mark: Die aufgelöste Bücherhalle Eppendorf verramscht ihre Bestände Von Steffen Kugler

So viel Andrang wie in den letzten zwei Tagen, meint Andrea Minnich trocken, „hatten wir schon lange nicht mehr“. Gleich stapelweise werden der Bibliothekarin die Bücher unter die Nase gehalten und wechseln – „zehn Stück zehn Mark“ – ihren Besitzer. Seit Montag verramscht die aufgelöste Bücherhalle Eppendorf ihre Bestände. Zwei Drittel der 45.000 Bücher und anderen Medien, die hier einst standen, wurden bereits an andere HÖB-Bibliotheken, Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten des Bezirks abgegeben. Bis Freitag sollen alle Bücher verschwunden sein.

Schweigend, fast melancholisch stöbern die Menschen durch die Regalreihen. „Viel ist ja nicht mehr da“, bedauert eine junge Frau, „aber ein paar Kinderbücher für meine Tochter und ein bißchen Pädagogik für mich konnte ich noch retten.“ Der Run auf die Billigbücher hatte bereits am Montag stattgefunden; rund 16.000 Mark kamen dabei rum. Jetzt sind die Borde abgefressen: Ebbe bei den Philosophen. Geschichte, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sind noch mit einigen wenigen Titeln vertreten. Einzig die Reihe mit den Taschenbuchromanen steht fast ohne Lücken im Regal.

Einem älteren Mann steht der Frust im Gesicht geschrieben. 20 Jahre war er Stammleser in Eppendorf, „gestern war ich hier, um möglichst viel mit nach Hause zu nehmen“, erzählt er. „Aber heute, mit den ganzen leeren Regalen, wird mir dann doch bewußt, daß es nun zuende ist.“