Schwäbischer Alp

■ Theater Lindenhof mit „Nacht oder Tag oder jetzt“ – Inszenierung mit Stockflecken

Katharina Memlerin lebte in schwäbischen Dörfern, wo die Männer ihr Gemächt vor sich hertragen. Je fetter der Kerl, umso größer das Täschchen am Hosenlatz, wo's drinhängt. Was sie damit anzufangen wissen, ist herrschen und vergewaltigen. Die Memlerin Katharina entzieht sich dieser ritualisierten Gewalt. Und wird dafür gehaßt.

Das Theater Lindenhof im schwäbischen Melchingen arbeitet an einfachen Stücken. In groben Zügen dokumentarisch will der Lindenhof regionales Theater machen, weitab großstädtischer Geschwätzigkeit. Seine Inszenierung von „Nacht oder Tag oder jetzt“ ist ein Stück Melchinger Dorfgeschichte. In der Chronik steht, daß der Adlerwirtin Katharina Memlerin innerhalb weniger Tage drei ihrer Kinder sterben. Kurz darauf verliert sie ihren Mann, der ein hübscher Kerl war. Dann stirbt auch noch ihr letzter Bub namens Baltas. Wie soll sie mit diesem Fluch weiterleben? Soll die Memlerin glauben, eine Hexe zu sein? Das finden nämlich die anderen im Dorf.

In Schwaben 1596 war das Leben rauh und katholisch: Katharina kreuzt das Brot, bevor sie es schneidet. Wir erfahren so viele Einzelheiten, weil das Theater Lindenhof den Plot so streng wie einen Dokumentarfilm inszeniert hat. Es bleibt aber befremdlich, daß sich aus der Dramaturgie kein Kommentar zum Stück ergibt. Die Stummheit auf der Bühne, sie ist nur schwer erträglich. Und viel zu grobe Bilder tischt das Theater Lindenhof auf: Daß es den Dorfnarr Kaspar gibt, dem mag man noch zusehen, wenn auch so nicht für Geschichte nehmen. Aber die Vergewaltigung am Bühnenrand nutzt die platte Bildlichkeit von Volkstheater aus. „Poesie des Dazwischen“, wie eine Kritik in der Ost-Berliner Zeitschrift Theater der Zeit dem Stück zusprach, entsteht dabei nicht.

„Nacht oder Tag oder Jetzt“ von Bernhard Hurm und Uwe Zillmer in der Inszenierung von Hurm entfacht im Festival nur ein kleines Feuer. Die Inszenierung selbst bleibt eigentümlich kühl, obwohl die Lindenhofler nur zu deutlich politisieren: Im Stück wird ausgegrenzt und gedemütigt, was die Bildsprache hergibt. Doch es kommt nichts Neues hinzu, und das ist schade. Trotzdem viel Applaus für das Stück. Katrin Patzak

„Nacht oder Tag oder jetzt“ noch heute abend im Theater am Leibnizplatz, 19.30 Uhr.