Kämpfen ohne Bezahlung

Mechthild Bereswill macht feministische Bildungsarbeit. Für ihr Engagement will sie kein Geld  ■ Von Constanze v. Bullion

Aus welchem Stoff sie ist? Aus explosivem Zunder. Ein Zeug, das hochgeht, wenn es Feuer fängt. Bei hitzigen Wortgefechten zum Beispiel, oder wenn Gegenspieler sie herausfordern. Wer ihrer blitzschnellen Rhetorik nicht gewachsen ist, hat Pech gehabt. Aber Mechthild Bereswill ist kein unberechenbarer Mensch. Ihre Wut packt sie in messerscharfe Argumente, wartet bis sie das Wort führt: für die Frauen. Die resolute Person mit dem meterlangen Wallehaar ist professionelle Feministin. Doch ihr Geld will sie mit politischer Arbeit nicht verdienen. „Ein Ehrenamt“, erklärt sie, „hat eben etwas mit Ehre zu tun.“

Jedes Ding hat seinen Platz in dem hellen Raum, der für die 35jährige Lebensmittelpunkt und Arbeitsplatz ist. Bis zur Decke stapeln sich die Bücher in den Regalen, Sigmund Freud neben den Klassikern der Frauenforschung, dazwischen Aktenordner und ein Karteikasten mit „Kernsätzen“. Ein kleiner Blumenstrauß steht auf dem Holztisch, ein Samovar mit schwarzem Tee. In der schlichten Neubauwohnung in Hannover ist kein Platz für überflüssige Verzierungen. Und keine Zeit für umständliche Erklärungen. Zur Sache in Sachen Ehrenamt.

Heinrich-Böll-Stiftung heißt der Laden, der Mechthild Bereswill in die Mitgliederversammlung und in den Frauenrat gewählt hat. Das Bildungswerk der Bündnisgrünen wurde im Juni diesen Jahres gegründet. Eine Liebesheirat war sie nicht, die Fusion aus Buntstift e.V., der alten Heinrich-Böll- Stiftung und der Frauen-Anstiftung. Schon gar nicht für die Ladys von der Frauen-Anstiftung. „Wir hatten früher eher Distanz zur Partei, haben multinationale Frauenarbeit und Rassismus thematisiert“, erzählt Bereswill, „das müssen wir in der neuen Stiftung verankern.“ Sie schiebt einen Packen Papier über den Tisch. Der Eiertanz um Frauenquoten und Finanzen ist hier dokumentiert: „Frauenpolitik versus Geschlechterdemokratie – eine begriffliche Tour de force.“ Warum sie sich einläßt auf diese Tour de force? Woher sie den Elan nimmt, immer wieder gegen gesellschaftlichen Backlash, gegen männerdominierte Strukturen, gegen das Bild von der feministischen Meckertante anzurennen? „Weil so vieles noch nicht eingelöst ist“, antwortet sie achselzuckend. „Und weil ich eine Kämpferin bin.“

Angefangen hat alles in einer Kleinstadt am Rhein. Da wurde Mechthild Bereswill 1961 in eine katholische Familie, in eine katholische Gemeinde und in ein durch und durch katholisches Weltbild hineingeboren. Himmel und Hölle, Gut oder Böse, anständig oder anstößig: Das Einmaleins der Kleinkarierten kann sie bis heute im Schlaf. „Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter in diesem Umfeld, das ergab eine große Reibungsfläche.“ Aufgelehnt hat sie sich früh. In der Familie, wo Mutter und Großmutter den Ton angaben. Und in der Schule, wo ein linker Befreiungstheologe ihren rebellischen Geist ermutigte. Mitstreiterinnen hat sie gefunden, ein Frauenzentrum gegründet, „eigentlich das erste Ehrenamt“.

Nichts wie raus also aus dem Mief. Rein in ein Praktikum an einem psychiatrischen Krankenhaus, aus dem ein Sturmlauf gegen die Psychiatrie wurde. Wenn Mechthild Bereswill sich an ihre Jahre als Sozialarbeiterin erinnert, redet sie von „zementierten Hierarchien“ und „geschlechtsgebundenen Krisenerfahrungen“, von „narzißtischen Kränkungen“ und „zählebigen Geschlechterrollen“. Zu lange hat sie Sozialwissenschaften studiert, zu viele schlaue Bücher gelesen, um den akademischen Wortschatz über Bord zu werfen. Vom wirklichen Leben verabschiedet sie sich deshalb nicht. Daß sie „mit viel Herzblut in einer äußerst gewalttätigen Welt gearbeitet hat“ und sich „bis heute an Ausgrenzungen abstrampeln muß“, ist keine hohle Phrase.

Frauen in der Krise hat sie beraten, antirassistische Bildungsarbeit gemacht, an der Volkshochschule über Feminismus und Politik doziert, „um die Leute dazu zu bringen, selbst zu denken“. Heute steht sie vor Studierenden an der Uni Hannover, lebt von Lehraufträgen, Forschungsprojekten, und in den Seminaren geht es um gesellschaftliche Ungleichheit, um das Anders-, das Fremdsein. Die Doktorabeit über alleinreisende Frauen ist gedruckt, an der Hochschule wird sie bleiben. Allerdings nicht da, wo man sie gern sähe: als Frauenbeauftragte im Mittelbau. „Meine Leidenschaft sind Forschung und Lehre. Und mit der feministischen Nische bin ich auf Dauer nicht zufrieden“, sagt sie und läßt ihre Hand durch die Luft sausen. „Außerdem ist Macht auch eine Herausforderung.“ Eine Professur soll es sein. Mechthild Bereswill will ganz nach oben.

Vergessen die wilden Demos? Vergangenheit die autonomen Projekte? Mechthild Bereswill hat den Marsch durch die Institutionen angetreten – und ist als Ehrenamtliche in der grünen Bildungsstiftung gelandet. Politisches Lernen zu initiieren und statt immer neuer feministischer Modelle wirkliche Veränderungen in der Gesellschaft durchzusetzen, das bleibt ihre Maxime.

Fragt sich nur, wie sich das in der Arbeit für die Stiftung umsetzen läßt. Von „ausgesprochen ermüdenden Ritualen“ und „unheimlich problematischen Auseinandersetzungen zwischen Partei und Stiftung“, erzählt Bereswill, „da geht sehr viel politisches Engagement verloren“. Gar nicht zu reden von den Wochenenden in stickigen Sitzungssälen, wo selbstgefällige Männer endlos reden. Und wo am Ende routinegemäß abgestimmt wird: „Da sehe ich manchmal auch nur noch zu, daß ich die Hand an der richtigen Stelle hebe, damit die Mehrheiten stimmen.“ Ob es hier noch um den Spaß an der politischen Auseinandersetzung geht, oder ob sie ihr Leben in uneffektiven Zänkereien verplempert, fragt sich Mechthild Bereswill manchmal, wenn sie nach solchen Tagen abgekämpft nach Hause kommt. Das Ehrenamt – eine Ehre?

„Doch, ich sehe diese Arbeit noch immer als Privileg. Weil sie mir erlaubt, mich in den politischen Prozeß einzumischen. Aber mein Geld verdienen möchte ich damit nicht.“ Mechthild Bereswill läßt sich nicht verheizen im Politgeschäft. Sie ist hochqualifiziert, sieht ihre Freundin viel zu selten und lebt von wenig Geld. Aber das ist besser, als die Visionen aus den Augen zu verlieren. Lieber den gerechten Zorn bewahren, als ein dickes Honorar einstreichen? Gotteslohn statt klingender Münze? „Daß ich dafür im Himmel lande, glaube ich nicht.“