Mauss am Ende: Mission impossible

Der deutsche Multiagent Werner Mauss wurde in Kolumbien verhaftet. Zusammen mit einer Partnerin soll er die Freilassung einer von der Guerilla entführten Deutschen erreicht haben  ■ Von Severin Weiland

Jahrelang war Werner Mauss ein Mann ohne Gesicht. Von dem kamarascheuen Mann existierten lediglich veraltete Archivbilder. Eine Ähnlichkeit, die den mythenumwobenen Privatagenten und Ex-Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes mit dem früheren Stasi- Abwehrchef Markus Wolf verbindet. Seit dem Wochenende hat Werner Mauss ein Problem: Sein Konterfei ist nicht nur in allen Blättern der Republik abgebildet, der ergraute 56jährige wurde zusammen mit einer bislang unbekannten Deutschen auf dem Flughafen der kolumbianischen Stadt Medellin verhaftet.

Die Umstände der Aktion passen so recht zur Legende um den einstigen Dressurlehrer und Staubsaugervertreter, der Anfang der sechziger Jahre seine Karriere als Privatdetektiv begann und später dem Bundeskriminalamt zuarbeitete: In den Pässen gaben sich Mauss und seine Partnerin als Norbert und Silvia Schröder aus. Identifiziert wurde Mauss laut kolumbianischen Berichten aufgrund seiner fehlenden Fingerkuppe. Bei dem Paar fand die kolumbianische Polizei weitere gefälschte Pässe, Kreditkarten, ein Satellitentelefon und vier Handys. Außerdem, so die Aussage der Behörden, habe Mauss eine Liste mit den Namen internationaler Terrorgruppen bei sich geführt.

Ein Vorwurf, der Mauss in schwere Bedrängnis bringen könnte. Der Agent selbst sieht sich als „humanitärer Vermittler“, der die Freilassung der Mitte August bei Medellin entführten Ehefrau eines ehemaligen deutschen BASF-Managers in Kolumbien erreichen wollte. Offenbar hatte er dabei Erfolg. Nach Berichten kolumbianischer Zeitungen soll Mauss zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Dollar an die Kidnapper, die kolumbianische Guerillaorganisation ELN, gezahlt haben.

In wessen Auftrag Mauss und seine Gefährten tätig waren, ist bislang unbekannt. Der Konzern BASF dementierte gestern ausdrücklich einen Bild-Bericht, wonach der konzerneigene Sicherheitsdienst von deutschen Geheimdiensten auf Mauss aufmerksam gemacht wurde. Zu „keiner Zeit“ sei das Unternehmen aktiv gewesen, erklärte gestern BASF- Sprecher Matthias Hensel. Dem Ehemann der seit Sonntag freigelassenen Entführten, Ulrich Schöne, habe man lediglich „moralische Unterstützung“ und „Verhaltensregeln im Falle von Entführungen“ zukommen lassen. Schöne, mit dem BASF seit Mitte August nur „losen Kontakt“ unterhalten habe, habe am Sonntag der Zentrale über die Freilassung seiner Ehefrau Brigitte informiert.

Brigitte Schöne, das Opfer, die nach der Verhaftung von Mauss und seiner Partnerin auf dem Flughafen Medellin freigelassen wurde, sollte offenbar mit einem falschen Paß auf den Namen Barbara Baumann außer Landes gebracht werden. Die kolumbianische Zeitung El Tiempo zitierte sie am Dienstag mit den Worten, das deutsche Paar sei ihr völlig unbekannt gewesen.

Die Lage, in die sich Mauss gebracht hat, könnte ungünstiger für ihn nicht sein. In kolumbianischen Medien wird sein Fall bereits zur innenpolitischen Affäre. Der Gouverneur der Provinz Antioquia, Alvaro Uribe, warf Mauss vor, mit der Guerilla unter einer Decke zu stecken. Er und seine Partnerin seien in der Vergangenheit auch an der Befreiung anderer Entführungsopfer beteiligt gewesen. Uribe ist als Präsidentschaftskandidat im Gespräch und will sich als Saubermann profilieren.

Die undurchsichtige Rolle, die Mauss in dem lateinamerikanischen Land gespielt hat, wird durch zwei weitere Funde belegt, von der die kolumbianische Zeitung El Tiempo berichtet: Das Paar sei im Besitz einer Verlustanzeige für zwei deutsche Pässe, ausgestellt vom zweiten Sekretär der deutschen Botschaft in Bogota. Und es sei ein Schreiben gefunden worden, in dem das Paar die Behörden wegen einer „offiziellen Mission“ um Hilfe gebeten hätte.

Lange Zeit war es um Mauss ruhig gewesen. Zuletzt hatten die belgischen Justizbehörden 1992 über Interpol einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Mauss wurde beschuldigt, einen belgischen Kripobeamten bestochen zu haben, um dafür im Gegenzug illegale Amtshilfe zu erhalten. Unklar blieb, was aus dem Haftbefehl wurde. Die Bundesregierung hatte Anfang 1993 erklärt, sie habe das Ersuchen der Belgier über das Bundeskriminalamt und das zuständige Landeskriminalamt an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Mauss' Kontakte zu offiziellen deutschen Ermittlungsbehörden füllen ohnehin Archivordner. Nie restlos geklärt wurde beispielsweise seine Beteiligung an dem sogenannten Celler Loch, mit dem der niedersächsische Verfassungsschutz 1978 mit einem Sprengstoffanschlag die Befreiung des Terroristen Sigurd Debus vortäuschen wollte. In dem darauf folgenden Untersuchungsausschuß wurde aufgedeckt, daß Mauss Kontakte zu fremden Geheimdiensten unterhielt: Mit seiner Hilfe und dem spanischen Inlandsgeheimdienst wurde ein niedersächsischer V-Mann in ein algerisches Ausbildungslager eingeschleust.

Tatkräftig war er auch am Skandal-Fall René Düe beteiligt: Der Hannoveraner Juwelier war 1984 wegen eines angeblich selbstinszenierten Raubüberfalls zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, mußte aber später wieder freigesprochen werden. Im wesentlichen hatten sich die dubiosen Ermittlungsergebnisse auf Mauss' Erkenntnisse gestützt, der von einer Versicherung eingeschaltet worden war.