piwik no script img

Europarat verabschiedet Bioethik-Konvention

■ Ein große Mehrheit stimmte für die umstrittenen Regelungen zur Biomedizin. Die Änderungswünsche der parlamentarischen Versammlung wurden ignoriert

Karlsruhe/Straßburg (taz) – Am Ende gab es sogar einen einstimmigen Beschluß. Gestern verabschiedeten die 40 Staaten des Europarats die umstrittene Biomedizin-Konvention. Der völkerrechtliche Vertrag soll helfen, die Menschenrechte in der modernen Medizin zu bewahren. Die Vertreter Deutschlands, Belgiens und Polens enthielten sich der Stimme.

Das Vertragswerk, das früher „Bioethik-Konvention“ hieß, enthält Mindeststandards, die in den Mitgliedstaaten noch restriktiver gehandhabt werden dürfen. Im Vorfeld umstritten waren vor allem die Regelungen über Embryonenforschung und medizinische Versuche mit nichteinwilligungsfähigen Patienten, wie zum Beispiel Kindern, Altersverwirrten und geistig Behinderten. Eine erste Version, die 1994 bekannt geworden war, sah hier nur recht laxe Schutzvorkehrungen vor und führte vor allem in der Bundesrepublik zu einem Sturm der Entrüstung.

Inzwischen wurde die Konvention nicht nur umbenannt, sondern auch deutlich verschärft. Mit diesen Verbesserungen begründete die Bundesregierung auch ihre Stimmenthaltung. „Wenn wir jetzt doch mit Nein stimmen würden, dann hätten wir unseren Einfluß bei künftigen Debatten völlig verspielt“, erklärte Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig vor kurzem. (taz vom 8.11. 1996). Noch bestehende Streitfragen sollen in weiteren Verträgen behandelt werden, unter anderem zum Embryonenschutz, zur Organtransplantation und zur Humangenetik.

Ende September hatte bereits die parlamentarische Versammlung des Europarats die Biomedizin-Konvention gebilligt. Die dabei beschlossenen Änderungswünsche wurden von den Regierungen jetzt jedoch im wesentlichen ignoriert. So hatten die ParlamentarierInnen ein absolutes Verbot der Geschlechtswahl in der Reproduktionsmedizin gefordert. Der verabschiedete Konventionstext läßt hingegen als Ausnahme eine Geschlechtswahl bei der künstlichen Befruchtung zu. Und zwar dann, wenn eine an das Geschlecht gebundene Erbkrankheit vermieden werden kann.

Auch beim Datenschutz für genetische Tests wollten die Regierungen keine restriktiveren Änderungen mehr vornehmen. Diesbezügliche Regelungen seien jedoch im geplanten Humangenetik-Protokoll möglich.

Jetzt sind die Parlamente der Mitgliedstaaten des Europarats gefragt. Denn rechtlich wirksam ist die Biomedizin-Konvention nur in den Staaten, in denen sie ratifiziert wurde. In einer „Erklärung zur Abstimmung“ betonte die Bundesregierung gestern, daß weitergehende Entscheidungen in der Bundesrepublik noch völlig offen sind. Der Justizminister hatte jedoch erklärt, daß er persönlich, sich für die Ratifikation einsetzen werde. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen