Warten auf Rettung

■ Bettelarme FDP: Ein Parteitag ohne Parteichef, ohne Spitzenkandidaten und mit einem Wahlprogramm von gestern

Bettelsteuer-Widmann ist abgetaucht. Der FDP-Sonderparteitag am Dienstag und Mittwoch in Wilhelmsburg fand ohne den Parteichef statt. Hans-Joachim Widmann erlitt vor drei Wochen nach den empörten Reaktionen auf seinen Vorschlag, die Ärmsten der Armen zur Kasse zu bitten, einen Nervenzusammenbruch. Seitdem ward er nicht mehr gesehen.

„Wir werden das Gespräch mit Herrn Dr. Widmann, der leider weiterhin krank ist und deswegen nicht hier sein kann, suchen“, erklärte seine Stellvertreterin Hedda Guhr. Zu einem offenen Mißtrauensantrag konnte sich bisher niemand entschließen. „Die Luft ist raus“, so ein langjähriger FDP-Politiker, „zumal Widmann nicht da ist“. Um weiteren Schaden von der ohnehin Image-geschwächten FDP abzuwenden, will die Parteispitze lieber hinter den Kulissen den ungewollten Widmann zur Vernunft bringen. Kurzfristig wäre aufgrund der komplizierten Satzung ohnehin nur eine „Mißbilligung“ möglich gewesen. Ein Antrag zum Sturz hätte spätestens vor zwei Wochen eingereicht werden müssen. Kommt ein Mißtrauensantrag doch noch, muß die Partei in vier Wochen erneut zusammentreten.

Ob Hoffnungsträger Arnd Brummer als Spitzenkandidat antritt, ist weiterhin unklar. Der Chefredakteur des Deutschen Sonntagsblattes hatte nach einem gescheiterten Versuch des Landesvorstands, Widmann abzuwählen, zunächst seine Bereitschaft zurückgezogen. Zehn Monate vor den Bürgerschaftswahlen haben die Liberalen, die so gerne wieder ins Parlament einziehen würden, weder einen vorzeigbaren Parteichef noch einen Spitzenkandidaten.

Doch statt mit der Führungskrise befaßte sich der Sonderparteitag mit einem Wahlkampfprogramm der ganz alten Schule, nämlich Bekenntnisse zum Wirtschaftswachstum, mehr Autofreundlichkeit und weniger Gewerbesteuern. Während im Saal die Diskussionen dahinplätscherten, debattierten FDPler auf dem Flur über Rücktritt und Rettung. Silke Mertins