Fatale Spätwirkungen

UKE-Strahlenskandal: Behörde verweigert Opfern Schmerzensgeldzahlungen / Patientenanwalt Funke kritisiert „Formaljuristerei“  ■ Von Lisa Schönemann

Elf Opfer des UKE-Strahlenskandals, der 1993 bekannt geworden war, werden vorläufig vergeblich auf eine Entschädigung warten. Zwar hatte der für die Uni-Klinik zuständige Wissenschaftssenator Leonhard Hajen (SPD) auf Empfehlung des Landgerichts zunächst Entschädigungszahlungen für die Strahlenbehandlungsopfer in Aussicht gestellt, doch sieht die Behörde neuerdings „keinen Handlungsbedarf“ mehr. Das warf Patientenanwalt Wilhelm Funke gestern Hajen vor. Funke vertritt 130 ehemalige Patientinnen der UKE-Frauenklinik.

Beim Landgericht sind zur Zeit 50 Klagen in dieser Sache anhängig. Im Juni 1996 hatte das Landgericht den Patientinnen und der Freien und Hansestadt Hamburg nahegelegt, sich während der Sommerpause außergerichtlich zu einigen. Anwalt Funke legte der taz gestern ein Schreiben des Anwalts der Behörde vor. Darin heißt es, die kritisierte strahlentherapeutische Behandlung der Klägerinnen sei überprüft worden; für eine unbürokratische Schadensregulierung gebe es keine Möglichkeit.

Der Sprecher der Wissenschaftsbehörde, Tom Janssen, erklärte dagegen gestern, die Behörde sei dem Rat des Landgerichts gefolgt, das ohne medizinische Gutachter rasch nach Aktenlage und Fachliteratur entschieden hatte. Außergerichtliche „unbürokratische“ Lösungen seien angestrebt worden, in 28 Fällen sei bereits eine Einigung erfolgt. Insgesamt habe die Stadt bislang Abschlagszahlungen in Höhe von 615.000 Mark geleistet. In elf Fällen seien medizinische Gutachter im Auftrag der Behörde zu dem Ergebnis gekommen, daß die Behandlung „in Ordnung“ war und deshalb keine Ansprüche bestünden.

Im Klartext bedeutet das, daß die Patientinnen jetzt kein Geld erhalten werden. „Formaljuristisch kann man das durch alle Instanzen auskochen“, empörte sich Funke. Der Anwalt geht davon aus, daß er die Prozesse gewinnen wird. Wie aber sollen die Patientinnen den jahrelangen Rechtsstreit überstehen?

Als Beispiel nannte Funke den Fall der 57jährigen Margot H., die 1981 von Hans Joachim Frischbier, Ex-Chef der gynäkologischen Radiologie des UKE, wegen eines Unterleibstumors behandelt und mit einer zu hohen Dosis bestrahlt worden war: Die Frau mußte später wegen einer strahlenbedingten Darmschädigung operiert werden. Sie hat Lähmungserscheinungen in den Beinen und in der Hüfte, nur mit Mühe kann sie auf einen Stock gestützt ihre Wohnung im ersten Stock erreichen.

Andere PatientInnen werden den Ausgang der Verfahren nach Funkes Einschätzung nicht mehr erleben: „Dann müssen die Enkel weiterklagen ...“ Sollten diese vor Gericht eines fernen Tages Erfolg haben, müßte die Stadt auch an sie zahlen.