Arbeitsgericht in Not

■ Richter ertrinken in Klageflut, die Gerechtigkeit leidet unter Verzögerung

Das Arbeitsgericht hat mit einer einmaligen Klageflut zu kämpfen. Die schlechte Konjunkturlage im Baubereich und die Auswirkungen des sogenannten Feuerwehrurteils für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sorgen dafür, daß immer mehr Menschen vor den Kadi ziehen. „Es brennt“, umschreibt der Präsident des Arbeitsgerichts, Achim Riedel, die Situation.

Allein in diesem Jahr verzeichnete das Arbeitsgericht 65.000 Eingänge, eine Steigerung von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Prozeßlawine stellt selbst das Jahr 1991 in den Schatten, in dem 50.000 Eingänge in Folge der Abwicklung von DDR-Betrieben bislang die einsame Spitze bildeten. „Der Berg ist für uns kaum noch zu bewältigen“, sagt Riedel. Denn von den derzeit 70 Richterstellen sollen im Zuge der Haushaltssanierung im nächsten Jahr weitere Stellen gestrichen werden. Bislang konnten 80 Prozent der Fälle innerhalb eines halben Jahres entschieden werden. Aber manche Kammern haben inzwischen bereits Terminstände von einem Dreivierteljahr und länger. Vor allem die für den Baubereich und für den öffentlichen Dienst zuständigen Kammern kommen kaum noch zum Luftholen.

„Nach zehn Monaten kann letztlich nicht mehr gerecht entschieden werden“, so Riedel. Gefeuerte Arbeitnehmer seien nach so langer Zeit kaum noch in ihre alte Arbeitsstelle zu integrieren, wenn sie recht bekämen, und für kleine Firmen könne es Konkurs bedeuten, wenn sie nach so langer Zeit Löhne für nicht erbrachte Leistungen von entlassenen Angestellten bezahlen müßten. Daß die Entlassenen dennoch vor den Kadi ziehen, kann der Präsident des Arbeitsgerichts jedoch gut verstehen: „Wer mit 40 im Baubereich gekündigt wird, kommt woanders kaum noch unter.“ Im Baugewerbe beträgt die Arbeitslosigkeit zur Zeit 20 Prozent. „Es ist wirklich deprimierend, überall drehen sich die Kräne und die Leute sitzen vor der Tür.“

Bei den für den öffentlichen Dienst zuständigen Kammern sind inzwischen über 7.000 Klagen aufgelaufen. Es handelt sich dabei um die Folgen des sogenannten Feuerwehrurteils des Bundesarbeitsgerichts. Es hatte entschieden, daß ein aus dem Osten in den Westen entsandter Feuerwehrmann nach Westtarif bezahlt werden muß, obwohl er wieder in den Osten zurückgekehrt war und seither dort seinen Dienst versieht. Plutonia Plarre