Das Portrait
: Serbiens neuer Hoffnungsträger

■ Zoran Djinjic

Zoran Djinjic, der neue Bürgermeister der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad, war schon seit längerer Zeit ein Hoffnungsträger für ein demokratisches Serbien. Jetzt hat er die Möglichkeit, dies zu beweisen. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei Serbiens erreichte als Spitzenkandidat des bürgerlich demokratischen Parteienbündnisses „Zajedno“ in Belgrad die absolute Mehrheit der Stimmen. Dies ist wohl der größte Erfolg für die demokratische Opposition Serbiens.

Interessant an Djinjic ist nicht nur, daß sich ein Intellektueller als Politiker in einem Land bewähren kann, das bis jetzt von kommunistisch-totalitären Strukturen geprägt und von einer tiefen Wirtschaftskrise erschüttert ist. Zoran Djinjic hat sich in den 70er und 80er Jahren als Student in Frankfurt und als Assistent von Jürgen Habermas als kluger Kopf präsentiert. Dies war auch während des Krieges bei vielen Diskussionen in Deutschland zu erkennen. Als Kenner der kritischen Theorie ist er einer der wenigen modernen europäischen Politiker im serbischen Spektrum. Und er könnte in der Lage sein, einen Prozeß einzuleiten, in dem in Serbien offen über den Krieg und sogar über die Falle der serbischen Mythologie diskutiert werden kann.

Auf dem Weg zur Macht geriet Djinjic in Gefahr, seine differenzierten Ansichten hintanzustellen. Schon vor dem Krieg unterlief ihm eine wesentliche Fehleinschätzung, als er in Milosevic jenen Mann sehen wollte, der einer Demokratisierung Jugoslawiens die Tür öffnen würde. Als die Demokratische Partei im März 1991 einen Kompromiß mit Milosevic einging, rückte er erstmals ins Machtzentrum des Staates auf. Er distanzierte sich erst von Milosevic, als jener 1993 die Serben der Krajina fallenließ und 1994 zur Radovan Karadzic auf Distanz ging.

Was dem Machtkalkül entspringt, und was dabei echte Überzeugung war, steht bei Djinjic noch nicht fest. Er hat sich bei der politischen Rechten Respekt verschafft, was ihm politisch und auch physisch überleben hilft. Im demokratischen Lager hoffen viele, Djincic könnte Serbien wieder nach Europa führen. An seinem Wunsch, die serbische Gesellschaft zu demokratisieren und zu modernisieren, besteht kein Zweifel. Es fragt sich nur, ob er die Kraft hat, die dazu nötige Kritik am Nationalismus und den Kriegsverbrechen öffentlich zu machen. Erich Rathfelder