Neue Konzepte statt Knete

■ Kulturbehörde will Soziokultur-Szene regionalisieren / Die Antwort: „Unfug“

Man muß sich das einmal vorstellen: Da bekommt eine verdiente Angestellte des Kulturladens Sowieso Mitte November die betriebsbedingte Kündigung ins Haus. Und gerade eben, als sie sich für ein Leben danach rüstet, wird sie wieder eingestellt, bis sich das gleiche Schauspiel Mitte Februar wiederholt. „Nicht auszudenken, wenn so eine vor's Arbeitsgericht zieht“, sagt Rainer Kaminski von der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur, die als Interessenvertreterin der Stadtteil-, Breiten- und sozial engagierten Kultureinrichtungen fungiert. Eine juristische Fortsetzung dieser Tragikomödie ist indeß bislang ausgeblieben. Doch gleiches gilt für konkrete Schritte der Kulturbehörde, aus der die Szene seit Monaten mit honigsüßen Absichtsbekundungen wie „Verläßlichkeit staatlichen Handelns“ oder „Planungssicherheit“ beschallt wird.

Ganz so, als sei das Problem des Sparzwangs und der selektiven Bestandsbekundungen eben erst aktuell geworden, hat die Verwaltung der Kulturdeputation gestern ein Drei-Seiten-Papier mit dem Titel „Regionalisierung der soziokulturellen Einrichtungen in Bremen (Stadt)“ zur Kenntnis gegeben. In historisch rückblickenden Formulierungen wie „Staatlich begünstigte Zugangsmöglichkeiten waren mangels Akzeptanz unter den beabsichtigten Bevölkerungsschichten eingestellt worden“ offenbart sich zwar ein regelrechter akademischer Blütenzauber, doch was einige Zeilen weiter unter dem Abschnitt „Lösung“ steht, bezeichnen nicht nur Sprachästheten als Enttäuschung.

Noch immer honigsüß setzt die Behörde sowohl auf quantitativen Erhalt als auch auf qualitative Verbesserungen und hat dafür auch einen Schlüssel gefunden, der da lautet: Regionalisierung. Demnach soll sich etwa im Buntentor ein Regionalzentrum mit künstlerischem Schwerpunkt entwickeln oder der Westen zu einem Focus der Stadtteilgeschichtsarbeit. Doch was auf den ersten Blick nach Konzept klingt, ist eher eine Bestandsaufnahme zufällig entstandener Themen-Häufungen. Die Basis kam von selbst, die Theorie fabuliert nur den Überbau hinzu und sorgt fürderhin für Gesprächsstoff: Bis März 1997 soll das „Konzept“ mit Beteiligten und Betroffenen der Regionen diskutiert werden. Zur Aprilsitzung der Kulturdeputation soll eine Beschlußvorlage fertig sein und, so forderten die Abgeordneten gestern, auch ein Begründungskatalog dafür vorgelegt werden, warum und welche Institutionen nicht mehr weiter gefördert werden.

Mindestens fünf weitere Monate kann von Verläßlichkeit und Sicherheit also noch keine Rede sein. Rainer Kaminski sieht statt dessen wilde Debatten heraufdämmern, weil er und andere die Regionalisierung für eine „Verbrämung des Sparzwangs“ halten. Zwar begrüßt er besagte Absichtsbekundungen, doch der angekündigte „Paradigmenwechsel“ vom organischen Wildwuchs zur soziokulturellen Planwirtschaft ist für ihn schlicht „ziemlicher Unfug“. ck