Leistung

Meine Güte, ging das neulich mal wieder ab vor meine Kioskluke! 70 Prozent vonne Illus hatt–n nämlich als Aufmacher, was an unse Uneversetäten los ist: nämlich absolut nix! Und kam heute ein Herr als Kunde, also, erst hat er de „IQ“ gekauft, „das Informationsblatt für Eliten“, und denn hat er gesagt, das mitte Nulleistung stimmt, da kann er nämlich 'n Lied von sing', weil er ein richtigen Prof anne Hamburger Uni ist, Fachbereich Englisch, und sobald er seine Studenten das geringste an Leistung abverlangt, wolln se das Problem vonne Hierarchien diskutiern und von' Leistungsstreß, wo sie als Studenten mit zerbröselt werdn, und werfen se ihn auch noch vor, daß er ein Profilneurotiker ist, der sich mit sadistische Tests und Klausurn anne Studenten abreagiern will. Und de eigene Kohlegen unterstützen sowas auch noch! Er hat sich denn bei mir vorgestellt: Professer Schwanitz oder Schweinitz, irgendwas mit ein' Tier ... Jedenfalls, als er soweit gekomm' war, mischt sich Herr Studienrat Arnold ein, der grade mal wieder ne Springstunde hatte, und: daß er den Herr Kohlege vonne Hochschule zustimmt, und das einzige, was de Studiker bring', ist tatsächlich, inne Jobberzentrale abzuhäng' oder sich inne Mensa mitte Berber zu streiten, beziehungsweise daß se de Wände mit Graffitis besudeln und den Fußboden mit Kippen vollmülln. Nu drängt sich auch Berber Harald, der sich sein' Sixpäck abholt, inne Diskussion. „Ich“, sagt er, „kann das ganz und gar unterstreichen. Ich bin nämlich Diplomsoziologe und Diplompolitologe mit Prädikatsexamen. Und was hat es mir gebracht? Sehen Sie mich an!“

Jetzt greift auch de bekannte Barmbeker Lürikerin, Frau Hütlein, inne Debatte ein: „Ich bin als Germanistin mit Staatsexamen froh, wenn sich auf meine ,Abendblatt'-Anzeige unter ,Verschiedenes': Mache Gedichte für Familienfeste aller Art, Zeile 3,- Mark, jemand meldet.“ „Ja“, nickt der Englischprof, „so sehen in der Tat die Ergebnisse unserer Trash-Unis aus. Aber wenn Sie Ihre Examina an einer Privat-Hochschule abgelegt hätten, dann säßen Sie heute in der Chefetage eines Konzerns. An den Privat-Hochschulen wird nämlich Effektivität verlangt und geboten! Bei jeder Fehlleistung eines Studenten wird dessen Sitzplatz unter Strom gesetzt.“ „Es wird“, haut nu Studienrat Arnold in dieselbe Kerbe, „nicht lange dauern, da werden die staatlichen Unis auch wieder Effektivität und Leistung fordern müssen. Oder wir werden eines Tages, was den wissenschaftlichen Standard betrifft, auch noch von den Hochschulen Albaniens und Ugandas überholt!“ „Schön und gut alles“, fängt nu Berber Harald an zu lachen, „kann ja sein, daß die Unis und auch die Gymnasien eines schönen Tages wieder auf Effektivität und Leistung umschalten müssen. Aber wie soll das geschehen?“ „Ich verstehe Sie nicht“, kraust der Englischprof seine Stirn. „Na“, grient Berber Harald, „überlegen Sie doch mal: Wo haben denn die jungen Gymnasiallehrer und Nachwuchsprofessoren ihr Abitur und ihr Staatsexamen gemacht? Wo haben sie ihr ,Rüstzeug' erhalten? Doch an den Instituten, die heute in Agonie liegen!“