Unehelicher Vater der Satire

■ Satire-Veteran Horst Tomayers „Ehrliches Tagebuch“, das sind seine Konkret-Kolumnen, ist jetzt als Buch erschienen

Man muß dem Satiriker, Schriftsteller und Schau- und Tennisspieler Horst Tomayer zu allererst zugute halten, daß er auch als nicht mehr so junger Mann immer noch kurze Hosen trägt. Nahezu alle anderen, die mit Satire ein bißchen oder ein bißchen mehr Geld verdienen, schwitzen ja im Hochsommer lieber wie Sau, anstatt sich klimagerecht zu kleiden, und ziehen in regelmäßigen Abständen auch noch ganz mutig gegen männliche Shorts-Träger zu Felde.

Dennoch hat Horst Tomayer viele der witzelnden Shorts-Hasser maßgeblich beeinflußt, ja er könnte sogar als unehelicher Vater der heutigen Satire durchgehen. Angesichts dessen, daß sich das Genre seit einiger Zeit in der Krise befindet, ist es aufschlußreich zu sehen, was der Veteran noch leistet.

Dafür eignet sich Tomayers ehrliches Tagebuch, in dem Gedichte, Briefe und Kurzgeschichten versammelt sind, die er in den letzten neun Jahren für seine gleichnamige Kolumne in Konkret verfaßt hat. Tomayer erzählt in dieser Rubrik vordergründig banale Geschichten, die in ihren besseren Momenten aber durchaus das irgendwie Schweinische des Systems offenlegen, oder er verhackstückt ausnehmend bescheuerte Artikel, die bei Erscheinen von Konkret manchmal schon zu Unrecht vergessen sind.

Sein deftiger und überkandidelter, gern auch großmäuliger Stil paßt am besten, wenn es gilt, die grotesken Auswüchse irgendeines Prominenten-Lebens in Versform zu bringen: die kokainbedingte Inhaftierung des Porno-Poeten Konstantin Wecker zum Beispiel, die sehr deutsche Hunde-Leidenschaft des sehr deutschen Sängers Heinz-Rudolf Kunze oder den Selbstmord des Sexologen Ernest Borneman. Erbaulich auch die Wortschöpfungen wie: „Jadaschauherfraustachelbärerlebnis“, „Frittenschnitzelmaschinist“ und „Balkankriegsstimmungskanone“.

Wenngleich Tomayers Tagebuchseiten größtenteils mehr hermachen als ein beliebiger Artikel aus diesem Titanic-Jahrgang: Über zwei erschütternd weltfremde Beiträge kann das nicht hinwegtäuschen. Da ist zum einen eine vielleicht parodistisch gemeinte Tirade gegen Sprayer, zum anderen das Gedicht „Harald Schmidt und anderen hinter die Ohren geschrieben“. „Sie pressen ihre Scherze / Aus andrer Leute Leid / Doch eines Tags schon / Hat sichs mit heitrer Keit“, heißt es da unter anderem. Wenn jemand versucht, dem Phänomen Harald Schmidt mit derart oberschülerhaftem Moralismus beizukommen – dann ist es unbedingt geboten, sich auf die Seite der mindestens zwiespältigen, aber zeitweilig auch brillanten TV-Figur zu schlagen. René Martens

Horst Tomayer: Tomayers ehrliches Tagebuch, Konkret Verlag, 129 Seiten, 19,80 Mark