Staatsstreiche sind lästig

■ David Mazzucchellis „Discovering        America“ transponiert Mythen

„Amerika“ ist selbstverständlich mehr als zwei Kontinente. Der Kontinent amerikanischer Mythen ist immer wieder neu zu entdecken. Darauf jedenfalls scheint sich der Titel von David Mazzucchellis neuem Comic Discovering America zu beziehen.

Von einem Entdecken kann aber die Rede nicht sein: Alle Bewegung vollzieht sich immer schon auf vielfach beschriebenem Grund. Die Lokalitäten der drei Stories – die Schluchtenlandschaft, die Großstadt, der Mittlere Westen – sind nicht spezifizierbar, aber bekannt. Ebenso die Personnage und ihre Probleme: Der Einbruch des Fremden in die ländliche Gemeinschaft, die Suche des Städters nach seiner Position im Dschungel der Zeichen. Um die Reinterpretation des Mythos geht es.

In der Titelgeschichte „Discovering America“ fertigt der Hausmeister Zack – „um etwas festzulegen, einen Ort, einen Namen“ – Weltkarten an. Anfangs steht Zack vor dem Problem, daß die Welt sich ja jeden Tag ändert. Staatsstreiche sind lästig vor allem deswegen, weil sie neue Karten erfordern. Später verschiebt sich der Schwerpunkt hin zu Darstellungsproblemen. Wie kann man „etwas Dreidimensionales in etwas Zweidimensionales übersetzen“? Naja: die Gretchenfrage aller Comics halt.

So unwillig Mazzucchelli ist, auch nur eines dieser Probleme seiner Lösung entgegen zu treiben, so unverbunden bleiben sie nebeneinander stehen. Nur an einer Stelle werden die Stränge zusammengeführt. Das allerdings hätte Mazzucchelli besser bleiben lassen. Die Idee, den Festschreibungs- mit dem Repräsentations-Diskurs ausgerechnet über das Zeichnen einer Weltkarte auf den Körper einer Frau zu verbinden, ist wirklich zu blöd. Preisfrage: Hat es etwas zu bedeuten, daß ihr Geschlecht sich bei den Galapagos-Inseln befindet? Darwin? Ursprung der Arten?

An solchen Stellen explodieren die ansonsten klar geordneten Panels förmlich vor Bedeutung. Sie breiten sich über ganze Seiten aus oder falten sich ineinander. Mazzucchellis Zeichenstil eignet sich durchaus für solche pathetischen Szenen. Sein grober Tuschestrich arbeitet ohne Graustufen, unterstützt nur von ein oder zwei großflächig eingesetzten Farben. Stellenweise wirken seine spektakulären Dunkelheiten wie die axtbehauene Version von Frank Millers rasiermesserscharfen Sin City-Schwärzen. Mit dem zusammen reinterpretierte Mazzucchelli übrigens auch einen anderen amerikanischen Mythos, den des Sozialfaschisten Batman nämlich in The Return Of The Dark Knight.

Eines Tages wird Mazzuchelli den gesamten Kontinent abgemalt haben. Welchen Sinn aber hätte eine Landkarte im Maßstab 1:1?

Matthias Anton

David Mazzucchelli: Discovering America; Arrache Coeur/Edition Moderne, 39,80 Mark.