Mit Kino ins Gespräch kommen

■ Heute: Martin Aust, Programmacher von Hamburgs kommunalem Kino Metropolis

Wie kaum anders zu erwarten, sind im Metropolis-Büro die Wände mit Plakaten gepflastert. Zwischen Woody Allen, Clint Eastwood und Wim Wenders, zwischen alphabetisch gereihten Aktenordnern in den Wandregalen rings um den runden, blanken Tisch, muß ein Bleistift dran glauben. Während sich aus den Übungsräumen der nebenan liegenden Oper die Tonleitern eines Sängers durch das geöffnete Fenster schwingen, rückt Martin Aust ihm mit beständiger Drehbewegung zu Leibe und erzählt von seiner Beziehung zum Metropolis, Hamburgs kommunalem Kino.

Diese begann schon während seines Studiums. Nach der Absage für Tiermedizin entschied er sich für ein Germanistikparkstudium, dessen Abbruch er dieses Jahr zum zehnten Mal feiern kann. Als die Position des stellvertretenden Leiters des Metropolis frei wurde, schmiß er die Uni und wechselte in das Kino am Dammtorwall.

Für einen Magisterkandidaten, der bereits Jobs als Stuhlaufpolsterer, Wandstreicher und Programmverteiler absolviert hatte, die Alternative zum Taxifahren, dachte er sich.

Das war 1987. Seitdem stellt er das Programm zusammen, sammelt für's Filmarchiv, bereitet Reihen vor und organisiert Filmfestivals und das jährliche Rathaus OpenAir. (Wer sich fragt, warum Blade Runner als einziger Film dort schon zweimal zu sehen war, kennt gleich die Antwort: Es ist Austs Lieblingsfilm.)

Seine Liebe zum Spielfilm begann mit sonntäglichen, familiären Ausflügen ins Landkreiskino. Für den jugendlichen Martin vom Land waren diese eine Mischung aus Abenteuer und Unglück zugleich: „Das Problem meiner Jugend war, mir ist im Kino immer schrecklich schlecht geworden“, bekennt er. Heute kann er ohne Kopfschmerzen aus dem Kinosaal kommen. Hinter ihm liegt nicht etwa eine therapeutische Erfahrung, sondern die Lust, sich nicht mehr dem dunklen Raum vor der Leinwand entziehen zu wollen.

Das Metropolis als Oase im Mainstream bietet ihm das, was auch früher das Stadtkino ihm schon bot: Einen Ort des Rückzugs. Für ihn sind Filme wie Träume, in die man sich hineinfühlt. „Man vergißt bei einem guten Film vielleicht eine Zeit die Wirklichkeit. Das ist gut. Und man findet auch eine Form von Völkerverständigung“, sagt's und steht identisch hinter dem Konzept, wenn er hinzufügt: „Was mich am Metropolis so fasziniert, ist, daß wir durch die Präsentation von Filmen einen Einblick in unterschiedliche Kulturen nehmen können, miteinander ins Gespräch kommen.“

Trotz manchmal exotischem Programm mit nur 3 Zuschauern im 280 Plätze zählenden Saal ist das Kino erfolgreich, sagt Aust. Durchschnittlich 65 Besucher sitzen zwischen der 44 Jahre alten Käferbespannung in einer Vorstellung. Das ist durchschnittliche deutsche Kinoauslastung.

Der Rubel aus dem städtischen Kulturetat rollt nicht üppig, aber stetig. Doch mittlerweile muß das Metropolis 50 Prozent dazu rabotten. Dennoch ist nicht zu befürchten, daß es diesen Ort selbst nach Ablauf des Mietvertrages 1999 nicht mehr geben wird. Sollten die finanziellen Mittel doch nicht reichen, „wird halt umgeschichtet!“, findet Aust. Denn: „Eine Stadt wie Hamburg muß sich ein Kino für Filmliebhaber, -theoretiker und -historiker leisten können“.

Britt-Kristin Feldmann